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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unser Gut eingeladen. ›Ihr müßt euch näherkommen, Kinder‹, hat sie vorhin gesagt.«
    »Stroy sieht aus wie ein Nußknacker«, sagte Schütze bitter. »Aber er ist Hauptmann.« Er faßte beide Hände Amelias und zog sie an seine Brust. »Einmal werde auch ich Hauptmann sein. Einmal wird man auch zu mir sagen: Es ist uns eine Ehre, Sie bei uns zu sehen. Einmal werde auch ich aus dieser widerlichen Anonymität heraussteigen und jemand sein, zu dem man aufblickt. Ich liebe dich, Amelia, und ich liebe die Uniform und ich weiß, was es heißt, ein deutscher Offizier zu sein … Aber wenn ich im Recht bin, dann …« Er nickte, als sie etwas sagen wollte und drückte ihre kalten Handflächen gegen seine zitternden Lippen. »Willst du, daß wir uns nie mehr sehen?«
    Amelia v. Perritz schüttelte den Kopf. Aber ihre Augen sagten etwas anderes, als ihr Kopf andeutete.
    »Was wird nach dem Manöver sein, Heinrich? Du kommst zurück nach Schweidnitz. Wie sollen wir uns sehen? Immer ist Mama dabei …«
    »Ich werde dir schreiben. Postlagernd.«
    »Wenn Papa deine Briefe findet, steckt er mich in ein Internat.«
    »Dann werde ich dich dort mit der Waffe in der Hand herausholen.«
    »Warum phantasieren wir?« Sie legte den Kopf an seine Schulter und schloß die Augen. »Laß uns die wenigen Minuten träumen. Gleich wird Mama mit dem Wagen zurück sein. Sie holen für die Offiziere Wein. Dann werden wir uns nicht mehr sehen … lange, lange Zeit nicht mehr …«
    »Aber … du wirst nie aufhören, mich zu lieben?« fragte er stockend.
    »Nie – aber es ist so aussichtslos, Heinrich …«
    »Vielleicht ist der Kaiser überzeugt, wenn ich ihm meine Denkschrift gebe.«
    »Die Denkschrift. Laß es doch sein. Sie werden dich auslachen. Ein Fähnrich sagt den Generalfeldmarschällen, wie man angreifen soll. Sie werfen dich einfach hinaus.« Sie legte den Arm um seine Schulter. Es war eine zärtliche Bewegung, ein Ausdruck der Verbundenheit, der ihn ergriff und ratlos machte. »Ich will aber nicht, daß man dich auslacht. Ich weiß, wie lieb und gut du bist … Du darfst nur nicht immer recht haben wollen, du darfst nicht immer denken, die Welt dreht sich so, wie du sie siehst. Sie ist anders, ganz anders … Auch ich weiß nicht, wie sie ist … Wir dürfen in ihr leben, ist das nicht genug? Und wenn wir uns in ihr lieben dürfen, wird sie ein Paradies sein …«
    »Sie ist ein Paradies«, sagte Heinrich Emanuel fast feierlich. Dann nahm er den schmalen Kopf Amelias zwischen seine Hände und küßte sie lange, vorsichtig, als sei sie zerbrechlich, und mit geschlossenen Augen, um seine schreckliche Umgebung nicht bei diesem Kusse zu sehen.
    »Schönen guten Tag!« sagte über ihnen eine Stimme. Sie fuhren wie zwei ertappte Diebe auseinander und starrten den dichten Haselnußbusch hinauf. Über den oberen Zweigen glotzten zwei Pferdeaugen auf sie herab. Darüber schwebte, scharf gezeichnet gegen den blauen Herbsthimmel, das Gesicht Leutnant Petermanns.
    »Der Kaiser will Sie sprechen, Fähnrich«, sagte er schnarrend. Und dann – gehässig, langgezogen: »Melden Sie sich bei Herrn Hauptmann, wenn Sie Ihren – ehem – zweiten Manöversieg genug gefeiert haben.«
    Das Gesicht Petermanns verschwand, der Pferdekopf raschelte durch die Zweige zurück. In leichtem Trab entfernte sich der Reiter.
    Heinrich Emanuel Schütze umklammerte seinen Helm und riß an dem feldgrauen Überzug. »Ein Schwein ist er! Ein richtiges Schwein!« stönte er. »Wenn ich auch Leutnant wäre, würde ich ihn fordern. Auf Säbel! Ich würde –«
    »Geh erst zum Kaiser.« Amelia v. Perritz erhob sich, strich ihr Spitzenkleid gerade und zupfte einige Grashalme aus den geklöppelten Mustern. »Bitte ihn um Gnade, Heinrich –«
    »Ich werde –«
    » Bitte ihn …«
    »Wenn ich recht habe –«
    »Denk nur daran, daß wir uns lieben. Daß ich dich liebe.«
    Er nickte, setzte seinen Helm auf das blonde Haar, schob das Koppelschloß gerade, rückte den Schlepper an die Seite und ging hocherhobenen Hauptes um den Haselnußstrauch herum.
    Leutnant Petermann und Hauptmann Stroy standen in einiger Entfernung zusammen. Es war, als hätten sie ihn erwartet. Ob Petermann es ihm gesagt hat, das mit Amelia und mir? dachte Schütze.
    Mit schnellen Schritten ging er auf sie zu. Drei Schritte vor ihnen blieb er stehen, grüßte und sagte mit heller Stimme, als kommandiere er und nicht die anderen:
    »Fähnrich Schütze bereit zur Verfügung Seiner Majestät!«
    »Auch noch
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