Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
leuchtete schwach mit wenigen erhellten Fenstern. Der überdachte Eingang wurde von einigen großen Säulen getragen. Eine Freitreppe führte zu ihm empor. In der Dunkelheit wirkte das Haus wie ein riesiger Palast. Der Anblick drückte Heinrich Emanuel völlig nieder. Auch wenn er das Haus schon kannte und bereits dreimal auf den Stufen der Eingangstreppe gestanden und sich von Frau v. Perritz mit einem angedeuteten Handkuß verabschiedet hatte … jetzt kam ihm das Gut wie eine uneinnehmbare Burg vor, wie ein Sagenschloß, in dem ein wilder Drache die schöne Prinzessin bewacht. Er selbst aber kam sich durchaus nicht wie ein Siegfried vor, eher wie ein Verzauberter, der blindlings in sein Verderben rennt.
    Die Hufe der Pferde klapperten über die gepflasterte Auffahrt. Die Tür des säulengetragenen Eingangs öffnete sich. Ein alter Diener trat heraus. Er trug ein flackerndes Windlicht in der Hand, hob es hoch und leuchtete auf die Stufen, vor denen die Kutsche ruckartig hielt.
    »Brrr!« rief der Kutscher. Es war der einzige Laut, der die Nacht unterbrach. Nicht einmal ein Hund bellte.
    Heinrich Emanuel Schütze kletterte aus dem Gefährt. Er ergriff seinen Blumenstrauß, knöpfte seinen Uniformmantel bis zum letzten Knopf zu, kontrollierte noch einmal den Sitz seiner Mütze und kam dem alten Diener langsam entgegen.
    »Die Frau Baronin wartet«, sagte der Lakai. »Bitte –«
    »Und der Herr Baron?«
    Der Diener sah Schütze distinguiert an. »Ich weiß nicht, ob es im Plan des Herrn Barons liegt, Sie zu empfangen …«
    In der großen Halle brannten alle elektrischen Birnen. Gobelins verzierten die Wände, alte, geschnitzte Möbel standen zu Sitzgruppen zusammen. Trotz dreier Kaminfeuer und eines riesigen Ofens war es kühl. Die Herbstnächte ließen den kommenden Winter bereits ahnen. Fröstelnd klemmte Heinrich Emanuel seinen Blumenstrauß unter die Achsel, als er die Mütze abnahm, die Handschuhe auszog und der alte Diener ihm aus dem Mantel half.
    Wenn jetzt Amelia käme, wäre alles anders, dachte Schütze. Sie könnte mir durch ihren bloßen Anblick Mut geben. Er wickelte das Papier von den Blumen, zerknüllte es und gab es dem Diener. »Wo sind die Damen?« fragte er leise, als könne seine Stimme in der Weite der Halle störend laut klingen.
    »Im Salon. Die Frau Baronin. Bitte –«
    Der Diener ging ein paar Schritte voraus, öffnete nach kurzem Anklopfen eine Tür und trat zur Seite.
    Heinrich Emanuel Schütze straffte sich. Noch einmal zog er den Waffenrock gerade, drückte das Kinn an den steifen Ausgehkragen, machte den ersten Schritt und betrat in straffer Haltung und – wie er glaubte – forsch und unbefangen das Zimmer.
    Es war ein Salon im Rokokostil. Mittelgroß, mit vielen Spiegeln, kleinen Sesseln, verspielten Tischen, einem rosafarbenen Teppich und geschwungenen Gardinen vor den schmalen, hohen Fenstern. Sie führten hinaus zum Park, der dunkel, nur vom Rauschen der Bäume erfüllt, sich hinter dem Haus bis zum Wald hinzog. Ein Park, in dem drei zahme Rehe lebten. Schütze hatte sie einmal gefüttert und dabei Amelia zum erstenmal geküßt.
    Er schüttelte den Gedanken ab. Der Salon war auf den ersten Blick leer. Beim zweiten Hinsehen gewahrte er eine lange, schmale Gestalt im Hintergrund. Sie stand an einem Kamin, und die niedergebrannten Flammen zuckten schwach über das Gesicht mit dem langen, schwarzen Bart.
    Heinrich Emanuel Schütze knallte die Absätze zusammen und stand wie eine Säule. »Herr – Herr Baron«, stammelte er. »Ich … ich …«
    »Der Kaiserschreck.« Freiherr v. Perritz rührte sich nicht vom Kamin. Er musterte Schütze, als sei er ein Gaul, den er kaufen wollte. Vielleicht kommt er gleich und sieht mir die Zähne nach, dachte Schütze. »Ich denke, man hat Sie wider Erwarten zum Leutnant gemacht?«
    »Soeben, Herr Baron. Ich hatte keine Zeit mehr, mich um die neue Uniform zu kümmern. Ich soll sie morgen von meinen Eltern zum Geschenk bekommen.«
    »Merkwürdig.« Freiherr v. Perritz schüttelte den Kopf. Er betrachtete Heinrich Emanuel wieder schweigend und strich sich dabei den langen Bart. »Wirklich merkwürdig.«
    »Darf ich fragen, was, Herr Baron?«
    »Der Geschmack der Weiber.«
    »Wie darf ich das verstehen?« Schütze erbleichte.
    »Amelia hat mir gestern gestanden, daß sie Sie liebt. Ich habe sie ausgelacht. Ich konnte es nicht glauben. Aber sie gab mir zu verstehen, daß kein Internat und nichts auf der Welt sie abhalten könnte, einen Leutnant
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher