Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
mit. Ihre Uniformen blitzten in der Abendsonne. Es war ein schönes Bild, so wie es die Hofmaler riesengroß an die Saalwände malten.
    »Worauf warten Sie noch?« brüllte Hauptmann Stroy, der unterhalb des Hügels Schütze in Empfang nahm. »An den Tag sollen Sie noch denken, wenn Sie schon Urgroßvater sind! Drei Wochen Ausgehverbot für die ganze Division! Es wird ein Wunder sein, wenn man Sie nicht lyncht!«
    Für die Nacht gab es als Abschluß des Manövers ein Biwak auf freiem Feld. Hunderte von Lagerfeuern loderten über das Manövergelände … der Wind, der von Süden kam, nahm den Geruch von hunderten Feldküchen mit und wehte ihn über Schlesien. Nudelsuppe … Erbsensuppe … Goulasch …
    Unter Zeltplanen schliefen die Regimenter. Erkundungstrupps schwärmten in die nahen Dörfer und suchten Mädchen. Vor allem die Berliner. »Ohne Puppe im Arm is det keen Pennen«, sagten sie.
    Etwas abseits von der 2. Kompanie, wie ein Aussätziger, lag Heinrich Emanuel Schütze. Er hatte eine Zeltplane über seinen Kopf gedeckt und schrieb im Licht einer Kerze einen kurzen Brief. Das Papier hatte er auf den Deckel seines Kochgeschirrs gelegt. Es bekam einige Fettflecke … doch wen kümmerte das noch?
    »Leb wohl«, schrieb er, »Du hattest recht, Amelia. Es wäre dumm, an eine Zukunft zu denken. Ich werde nach dem Manöver sicherlich aus der Armee entlassen werden und dann zurück nach Breslau gehen. Zu meinen Eltern. Was ich dann tun werde, ich weiß es noch nicht. Aber wiedersehen werden wir uns nie mehr. Darum leb wohl. Ich werde nie aufhören, dich zu lieben.
    Heinrich Emanuel.«
    Eine Woche später, in der Kaserne in Schweidnitz, wurde der Fähnrich Heinrich Emanuel Schütze auf allerhöchsten Befehl zum Leutnant befördert. Vom Kompaniechef bis zum General wunderte sich jeder über das Wohlwollen Seiner Majestät.
    Als Leutnant Petermann die Nachricht brachte und sie Schütze unter Bruch des Amtsgeheimnisses mitteilte, brach Heinrich Emanuel in Tränen aus und weinte wie ein kleines Kind.
    »Sie bekommen auch noch drei Wochen Urlaub«, sagte Hauptmann Stroy, als er Schütze die Ernennung zum Leutnant bekanntgab. »Sofort nach Überreichung des Patentes durch Seine Exzellenz können Sie fahren. Sie fahren zu Ihren Eltern nach Breslau?«
    »Jawohl, Herr Hauptmann.«
    Stroy streckte ihm die Hand entgegen. Aber man sah ihm an, daß er es widerwillig tat.
    »Ich gratuliere, Herr Leutnant!«
    »Verbindlichsten Dank, Herr Hauptmann.«
    Leutnant Schütze verbeugte sich knapp, korrekt, zackig. Am Abend des gleichen Tages, an dem er sein Leutnantspatent erhielt, fuhr er mit dem letzten Zug nach Trottowitz, nicht nach Breslau.
    Eine Kutsche des Freiherrn v. Perritz erwartete ihn am Bahnhof.

2
    In eine Ecke der Kutsche gedrückt, ließ sich Schütze durch die nachtstillen Felder zum Gut fahren. Er sah im schwachen Schein der an den Seiten der Kutsche hin und her pendelnden Petroleumlampen die starren, phosphorisierenden Augen streunender Hunde, ein Reh, das noch schnell vor dem Gefährt über den Weg wechselte, eine Wildsau, die schnaufend eine Strecke vor den Pferden herrannte und dann in das Unterholz des Perritzschen Waldes einbrach.
    Heinrich Emanuel lehnte sich zurück. Er hatte das Gefühl, zu seiner eigenen Hinrichtung zu fahren. Als er Amelia gleich nach dem Bekanntwerden seiner Beförderung eine Depesche schickte, hatte sie ihm zurücktelegraphiert: »Komm zu uns. Papa weiß von nichts. Ich werde versuchen, mit ihm über dich zu sprechen …«
    Ob sie es getan hatte, was Freiherr v. Perritz gesagt hatte, was er auf dem Gut vorfinden würde, das alles wußte Schütze nicht. Er tappte ins Unbekannte hinein, unvorbereitet, als einzigen Ausweis seiner Qualifikation sein noch nach frischer Tinte riechendes Leutnantspatent in der Tasche.
    Zwischen den Bäumen einer Allee aus Ulmen und Pappeln tauchten die ersten Lichter aus der Dunkelheit. Der Weg wurde besser … das Holpern wich einem sanften Gleiten der Räder über festgestampften Kies. Der Kutscher auf dem Bock drehte sich herum.
    »Soll ich abschirren, oder fahren Herr Fähnrich –«
    »Leutnant«, verbesserte Schütze sanft. Der Kutscher sah auf die Rangabzeichen. Heinrich Emanuel trug noch seine Fähnrichsuniform.
    »Oh, gerade geworden? Ich gratuliere Ihnen, Herr Leutnant. Fahren Herr Leutnant zurück nach Trottowitz?«
    »Ich … ich weiß nicht … Lassen Sie die Pferde mal angeschirrt.«
    Die Kutsche bog in die Auffahrt des Gutes ein. Das Herrenhaus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher