Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle

Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle

Titel: Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle
Autoren: Milosz Alexandra; Matuschek Kilian
Vom Netzwerk:
vielversprechend klingt, vernichtet Kevin knallhart bei unserem ersten Treffen. Dabei hatte ich doch so von einem Koch geträumt, mich schon in der Rolle der Tochter des Paten gesehen, wie sie mit Andy Garcia im Rücken lustvoll Gnocchi dreht. Irgendwann hätten wir dann zusammen unser erstes eigenes Restaurant eröffnet und die Sternewelt Berlins auf den Kopf gestellt, unsere Söhne hätten in der Küche mit angepackt und unsere Töchter kleine Kochmützchen gestrickt, hach, zu schön wäre das gewesen. Wäre da nicht dieses kleine Detail, von dem Kevin mir nach einer guten Stunde im »Hannibal« in Kreuzberg, einer Cocktailbar mit minder gutem Essen, erzählt.
    Â»Ja, gut, ich hab mal gesessen«, sagt Kevin.
    Ja, damit meint er das Gefängnis. Dabei hatte ich gar nicht danach gefragt. Da kommt man ja auch nicht so schnell drauf. Aber Kevin erzählt sowieso gern von sich. Während ich nach dieser einen Stunde von ihm schon alles zu wissen scheine – Vater vor der Geburt abgehauen, stand plötzlich an seinem 18. Geburtstag vor der Tür, lebt in Hellersdorf, ist in Burg geboren, seine Mutter hat elf Geschwister, die Realschule hat er abgebrochen, zwei Schwestern, er liest bevorzugt Krimis, nach der Arbeit legt Kevin zu Hause gern die »Beene hoch« und für seine Oma hat er letztens eine Geburtstagstorte gebacken, mit einer Biskuit-Eisenbahn drauf, weil die damit so gern spiele –, weiß er von mir gerade mal, dass die gute Frau Müller vom Singlemarkt mich als »Hannah, junges Mädchen, hübsch, sucht unkomplizierten jungen Mann, möchte wieder Schmetterlinge im Bauch« angepriesen hat. Das steht in dem Anzeigentext, den sie ihm von mir im Tausch gegen seinen zugeschickt hat. Na ja – und dass ich eben nicht »Hannah« heiße.
    Â»Der Typ wollte meine Schwester anpacken«, sagt ­Ke­­vin, als wir auf seinen Knastaufenthalt zurückkommen. »Und da bin ich ausgetickt. Ich hab mir den gepackt, den Typ, ist doch klar.« Wie schön, dass um uns rum noch Leute sitzen, denke ich. »War ’ne schlimme Zeit in meiner Jugend«, sagt Kevin. »Habe geklaut, geraucht, ge­­prügelt. Verknackt wurde ich dann wegen schwerer Kör­perver­letzung. Aber ich habe mich gebessert.« Er grinst. Die Ausbildung zum Koch habe er als Chance begriffen, und mittlerweile habe er sich bis zum Küchenchef hochgearbeitet.
    Während Kevin so von seiner Karriere erzählt, überlege ich, ob man das hätte ahnen können. Wie ein typischer Schläger sieht er nicht aus. Mittelgroß, schmächtig, dunkelblonde Haare, unauffällig. Vielleicht ist er einer der Armen, den die Lehrer aufgrund seines Namens gemobbt haben? Laut einer Studie der Uni Oldenburg benachteiligen die Grundschullehrer Deutschlands alle Kevins, Chantals, Mandys und Justins. Das ist natürlich nicht nett. Ich versuche, seinen Teufelskreis zu durchbrechen. Bin bereit, ihn wiederzusehen, mit ihm über seine schlimme Vergangenheit zu reden. Eigentlich sieht er doch ganz lieb aus.
    Das teste ich doch noch mal. Ich frage ihn, ob er sich denn manchmal für seine Tat schäme oder ob er es gern ungeschehen machen würde. »Ne, der wollte damals meine Schwester anpacken, hab ich doch gesagt«, sagt Kevin. Hm. Ob er denn heute wisse, wie es dem Mann inzwischen geht? »Keine Ahnung«, sagt Kevin. »Aber wenn ich ihn noch mal treffe, haue ich ihn richtig kaputt.«
    Nach dieser Ansage bin ich froh, das »Hannibal« verlassen und nach Hause fahren zu können. Am nächsten Tag schreibt Kevin mir eine SMS: »Hallo Alexandra, wollte mich für diesen netten Abend noch mal bedanken, auch wenn ich dich kaum zu Wort kommen lassen hab. Aber dies ist ein Grund mehr, dich wiederzusehen, um auch mehr von dir zu erfahren. Würde mich freuen, wenn du mich Samstag im Restaurant besuchen magst, meld dich einfach, wenn du Zeit hast.« Ich melde mich nicht.
    Â»Hallo Alexandra, hoffe, ich habe dich gestern nicht mit meinem Gerede vergrault?«, fragt Kevin eine halbe Stunde später nach.
    Und wieder eine halbe Stunde später: »Wollte fragen, ob du noch immer Lust hast, am Samstag vorbeizukommen?«
    Ich schreibe ihm, dass ich das für keine gute Idee halte. Und dass ich ihm alles Gute wünsche. Kevin schreibt weiter. Dass es doch nett sei, wenn ich kommen würde. Ob ich denn die Adresse hätte. Oder auch: »Wollte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher