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Mann kocht

Mann kocht

Titel: Mann kocht
Autoren: Ludger Fischer
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Zeit, zu ihrem Höhepunkt zu kommen, und ich behaupte, dass sie ihn genau zu der Zeit auch schon überschritten hatten. Vor allem der abschließende Wahlspruch des Schlemmertopf-Rezeptbuchs, der noch bis 1973 ohne Murren akzeptiert wurde, ist in diesem Zusammenhang interessant: »Eine gute Köchin mit klugem Kopf hat auch einen Schlemmertopf!« 130
    Von einem »klugen Koch« war nicht die Rede. Und ob die darin zubereiteten Speisen gesünder sind als die in normalen Töpfen gekochten und geschmorten, wage ich nicht zu beurteilen.

Berühmte Männer kochen molekular
    Molekulargastronomie ist der letzte Schrei. Natürlich nur bei Männern. Für solcherlei Spirenzchen lässt sich von Frauen wenig Bewunderung erheischen. Von Männern dafür umso mehr.
    Molekulargastronomie ist praktisch die Gegenbewegung zur Nouvelle Cuisine. Hatten sich deren Vertreter, allen vorankochend Paul Bocuse, bemüht, die Methoden und Materialien der Lebensmittelindustrie zu meiden, werden sie von den Molekularköchen, allen vorankaspernd Ferran Adrià, begeistert und großzügig angewendet, und das wesentlich großzügiger, als es sich die schief beäugte Industrie erlauben würde, könnte und dürfte.
    Die Küchenchefs setzen die Grenzwerte für die Verwendung gesundheitlich bedenklicher Substanzen gleich selbst fest. Anstatt auf die Bedingungen zu achten, unter denen Speisen aromatisch und gut verdaulich hergestellt werden, kümmern sich Köche, die glauben, damit ihr Image aufbessern zu können, um Schäume und Gelees und Schockgefrorenes und solchen Schnickschnack. Sie tischen Olivenöl-Spiralen aus 58 Prozent Isomalt auf, »zarte Bohnenbällchen« mit 20 Prozent verquollener Methylcellulose, Pilze im Carrageen-Mantel, die aussehen wie in Bernstein eingeschlossen. Der Spanier Quique Dacosta betrügt nicht, wenn er »Falschen Trüffel« serviert, aber ich winde mich, den Mann »Koch« zu nennen. Das, womit er bekannt wurde, hat mit Kochen wirklich gar nichts zu tun. Beliebte Zutaten dieses »Kochs« sind Aloe vera, Gold und Silber. Er erfand auch einen »Cuba Libre« von der Gänseleber.
    Hier das Rezept für den »Falschen Trüffel«: 160 Gramm Gelatine, zwölf Gramm Trüffelöl, 500 Gramm Sojamilch, 800 Gramm Mannitol. Günstig in der Herstellung, aber auch gut? Ich bin ja nicht pingelig, was Zusatzstoffe betrifft, besonders wenn in der Massenherstellung sichere und trotzdem schmackhafte und preiswerte Lebensmittel produziert werden sollen. Bei einem Sternekoch, bei dem ein Menü nicht unter 200 Euro pro Person zu kriegen ist, wundert mich der exzessive Einsatz von Mannit aber schon. 800 Gramm ist übrigens kein Druckfehler. Der Hersteller empfiehlt etwa zwei Gramm pro Kilo Endprodukt, in Ausnahmen auch mal vier bis sechs Gramm. Mannit ist ein Zuckeraustauschstoff und unter der Nummer E 421 für den menschlichen Verzehr zugelassen. Man kann ihn in kleinen Mengen prima einsetzen bei der Umhüllung von Dragees oder in Kaugummi. Mannit ist aber auch ein Arzneimittel zur osmotischen Diurese. Es dient dazu, Wasser im Harn zurückzuhalten. Es wird, habe ich mir sagen lassen, vor allem bei großem Blut- und Flüssigkeitsverlust nach Operationen eingesetzt. Gutes Material, aber was hat es in der Küche zu suchen? Und dann in solchen Mengen! Mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen,
    Eismaschine mit Holzkübel, starker verzinnter Blechbüchse und Rührwerk. Natürlich ist so eine Eismaschine auch eine Art Molekularküchenutensil: Aus Flüssigkeiten werden Eiskristalle gebildet. Bloß hat das, abgeleitet vom spanischen Wort hielo für »Eis«, bisher noch keiner Hielificación genannt.
    Übelkeit, Durchfall, Blähungen, Erbrechen, trockener Mund, Stimmungsänderungen, Atemnot, unkontrollierte Muskelbewegungen (Zittern). Das alles sind keine allergischen oder allergieähnlichen Reaktionen auf diesen Stoff, sondern konsequente Folge seiner Wirkung. Von der Aufnahme von mehr als 50 Gramm täglich wird deshalb allgemein abgeraten. Wenn Sie also planen, bei Herrn Dacosta essen zu gehen, fragen Sie vorher bitte Ihren Arzt oder Apotheker.
    Überhaupt drehen die Spanier im Moment kräftig am Rad der Austauschstoffe, die sie offensichtlich für ungeheuer hip halten. Hier ein Menü von Paco Roncero:
    Schinkenkroketten (Sphärisierung)
    Miesmuscheln mit Erbsen-Kerbel-Salat (Xanthan)
    Parmesankäse (Xanthan + Johannisbrotkernmehl)
    Safranfolie (Gellan)
    Maccaroni Perigourdine (Gellan)
    Blinis aus Olivenöl mit Kaviar (Methylcellulose)
    Kartoffelgnocchi und
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