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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Walter Mosley
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würde.
    »Du fühlst dich ganz heiß an«, sagte sie und nickte ein.

8
    »… die Hexe sagt immer, sie will, dass ich glücklich bin und ein Mann werde, aber wenn ich zum ersten Mal was alleine mache, stellt sie sich an, als ob die Welt untergehen würde, und, und, und …« Dimitris Worte drangen durch die geschlossene Zimmertür.
    Ich trug seine Mutter durch den Flur in unser Schlafzimmer. Ich manövrierte sie durch die Tür, ohne ihren Kopf irgendwo anzustoßen, und legte sie so sanft wie möglich aufs Bett. Wir hatten ein großes, maßangefertigtes Bett, 2,50 Meter mal 2,50 Meter. Ich erwog, sie auszuziehen, doch das hätte sich als Problem erweisen können, falls sie aufgewacht, den Flur runtergerannt und noch ein bisschen weitergekreischt hätte. Also schob ich stattdessen ein Kissen unter ihren Kopf, setzte mich eine Weile neben sie und versuchte zu verstehen, wie es zu diesem Moment an diesem Ort gekommen war.
    Während ich nachdachte, wurde Katrinas Atem gleichmäßiger. Sie war eine schöne Frau und auf ihre eigene Weise brillant. Viele Jahre hatte sie einen Mann gesucht, der sie und Dimitri von mir und den anderen Kindern wegbringen würde. Es war nicht so, dass sie Twill und Shelly nicht liebte, aber die beiden liebten mich zu sehr. Katrina und ich liebten uns nicht mehr, jedenfalls nicht wie Mann und Frau, aber wir waren aneinander gebunden durch einen Knoten aus Blut, Kindern und Geschichte.
    Als sie anfing zu schnarchen, wusste ich, dass Kat für mehrere Stunden bewusstlos sein würde. Ich drehte sie auf den Bauch, damit sie im Falle eines Falles nicht an ihrem Erbrochenen erstickte, und ging aus dem Schlafzimmer zurück in den Flur.
    »… ich meine, was hab ich ihr je getan?«, fragte Dimitri, als ich hereinkam. Er sah mich an, zögerte kurz und fuhr fort. »Tat hat sich immer alle Mühe gegeben, nett zu ihr zu sein. Und Mama sagt kein einziges Wort, wenn sie im Zimmer ist. Sie steht bloß da mit diesem Gesichtsausdruck.«
    Dimitri hatte einen Kinder-Baseballhandschuh in der Hand. Ich fragte mich, ob er vorhatte, ihn in die neue Wohnung mitzunehmen. Tatyana, die kultivierte ehemalige Prostituierte, kniete auf dem Boden und rollte Socken zusammen, während Mardi und Twill in dem Gerümpel herumkramten, dass Ds geräumigen Kleiderschrank füllte. Shelly fegte.
    »Warum machst du das?«, fragte Dimitri seine Schwester.
    »Ich mach sauber, damit Mom es nicht machen muss, wenn du weg bist.«
    »Warum? Du magst sie doch nicht mal.«
    »Sie ist unsere Mom, Bulldog«, sagte Twill. »Die einzige Mutter, die du je haben wirst.«
    »Ich wünschte, sie wäre tot«, sagte Dimitri.
    »D!«, rief Shelly.
    Tatyana rollte weiter Socken auf.
    »Die Hexe will doch nur …«
    »Schluss jetzt«, sagte ich in einem Tonfall, den ich seitfünfzehn Jahren nicht angeschlagen hatte. Dimitri brach mitten im Satz ab und starrte mich an.
    »Komm mit raus in den Flur«, sagte ich zu meinem einzigen echten Sohn, drehte mich um und verließ das Zimmer. Er hatte keine andere Wahl, als mir zu folgen.
    Wir standen uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber, doch Dimitri starrte auf meine Schuhe. Schnaufend und mit hochgezogenen Schultern wartete er auf meine Attacke.
    »Ich möchte dich etwas fragen«, sagte ich.
    »Was?«
    »Was glaubst du, warum deine Mutter so aufgebracht ist?«
    »Weil sie nicht will, dass ich erwachsen und mein eigener Herr werde, deshalb.«
    »Sie ist so aufgewühlt, weil sie Angst hat.«
    Dimitri hob den Kopf und sah mir in die Augen.
    »Wovor?«, fragte er.
    Ich musste nicht antworten.
    »Das ist lange her«, klagte er.
    »So lang sind zwei Jahre auch nicht. Und vor nicht mal einem Jahr hat sie noch mit diesem russischen Waffenhändler zusammengelebt.«
    »Sie wusste nichts davon.«
    »Deshalb hat deine Mutter Angst«, sagte ich. »Weil Tatyana das Leben einer Gesetzlosen gelebt hat. Aber du bist so verliebt in sie, dass du die Wahrheit leugnest.«
    Dimitri und ich sahen uns sehr ähnlich. Unsere Mienen waren nicht dafür gemacht, große Gefühle auszudrücken. Unsere Ahnen hatten eine schwere Last getragen und das Gesicht stets im Wind. Aber in diesemMoment lag in seinen Augen ungezügelte Leidenschaft, und sein Nacken bebte.
    »Und was willst du mir sagen, Pops? Willst du nicht, dass ich gehe?«
    »Genauso gut könnte man einer jungen Gans sagen, dass sie nach dem ersten Sommer ihrer Reife nicht in den Süden fliegen soll. Du musst gehen. Du musst. Du wirst auf Schlangen und Füchse treffen, und mit Taty
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