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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt
Autoren: Christoph Marzi
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Mann, Catalina. Er hat Nuria verbrennen lassen, wie seine Familie immer schon Hexen auf den Scheiterhaufen verbrannt hat.«
    »Ich verstehe das alles nicht.« Sie zögerte.
    »Malfuria wird uns retten.«
    »Aber die Meduza ist jetzt dort oben. Sie hat Jagd auf uns gemacht.
    »Woher weiß er, dass du hier bist? Dass wir beide hier sind?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    Die beiden sahen einander an. Sarita streckte die Hand aus. Catalina ergriff sie.
    »Deine Hand ist ganz kalt, Kleines«, sagte Sarita.
    Draußen kreischte der Rabenkater vor Schmerzen auf.
    Dann erbebte die Erde.
    Catalina wurde unsanft zu Boden geschleudert und Sarita in die Bank des Beichtstuhls gedrückt.
    »Was ist passiert?« Sarita keuchte vor Schreck.
    Catalina rappelte sich stöhnend auf, öffnete die Beichtstuhltür und lugte nach draußen.
    Dort, wo eben noch die mächtigen Baumwurzelsäulen gewesen waren, klaffte nun ein riesiges Loch im Boden. Staub war aufgewirbelt worden und bedeckte die Kathedrale mit einem hellen Weiß. Ein lautes Knirschen zerschnitt die Luft, und als das Mädchen seinen Blick hob, sah es, dass das Dach der Sagrada Família fast vollständig verschwunden war. Von den sechs Türmen, das konnte sie erkennen, standen nur mehr zwei. Die Meduza, die hoch oben über der Kathedrale schwebte, hatte aus einem Grund, den das Mädchen nicht kannte, Schlagseite bekommen. Menschen mit silbrig glänzenden Augen stürzten in die Tiefe und verschwanden im Staubnebel, wo ihre Schreie erstarben. Die fliegende Galeone neigte sich gefährlich zur Seite und es sah aus, als würde sie in den nächsten Augenblicken in die Kathedrale hinabstürzen.
    Catalina beugte sich noch ein Stück aus dem Beichtstuhl hervor. Sie suchte nach dem Rabenkater, hörte aber nur sein Kreischen aus dem Staubnebel heraus. Der Aquamarin rutschte ihr aus dem Hemd.
    Sarita starrte den Stein an.
    Catalina sah, wie Überraschung und Wut sich im Blick ihrer Mutter spiegelte, und ihre Gedanken schlugen Purzelbäume.
    Das Rumpeln und Beben war ihr nur allzu vertraut. Sie hatte es selbst erlebt, heute Morgen noch. Nicht ganz so laut, nicht ganz so heftig. Und doch war es dasselbe.
    Die Sagrada Família war so gut wie verschwunden. Wie Zahnstümpfe ragten die Säulen aus dem Boden und verloren sich weiter oben im Nichts. Ein sanfter Regen aus buntem Fensterglas senkte sich noch immer von oben herab. Der Schatten der Meduza wurde breiter und größer.
    Catalina spürte, wie die Erde ein zweites Mal erbebte. Die gesamte Ostfassade der Kathedrale verschwand mit all ihren farbigen Mosaiken und Weihnachtsskulpturen. Die Lücke, die plötzlich dort klaffte, gab den Ausblick auf den Hafen und das Meer frei. Die Carrer de la Marina war mit Trümmerteilen übersät.
    Catalina zitterte am ganzen Leib.
    Jemand hatte die Sagrada Família verändert. So und nicht anders konnte es gewesen sein. Und Catalina fiel nur ein Mensch ein, der dazu in der Lage war.
    Ihre Großmutter.
    Nur das konnte die Erklärung sein für das, was gerade geschehen war.
    Nuria Niebla lebte!
    Und wenn Nuria Niebla lebte, dann…
    Catalina schaute hinter sich in den Beichtstuhl.
    … dann musste Sarita gelogen haben. Dann war alles, was sie ihrer Tochter erzählt hatte, ein Lügengespinst gewesen.
    Sie schluckte, schmeckte den Staub, der überall war. Sie blickte auf ihre Mutter und schrie auf.
    Dichte Schatten schwammen in Sarita Soleados Augen. »Es sieht so aus, als müsste ich den Plan erneut verändern«, sagte ihre Mutter und lächelte leise.
    Catalina atmete schwer. All die Scherben, all die Fetzen, all die Gedanken, sie fügten sich zusammen und im Bruchteil eines Augenblicks entstand ein Bild, das düster und unheilschwanger war. Ein Bild, durch das an manchen Stellen aber Lichtstrahlen schienen.
    Die Dinge bekamen mit einem Mal einen Sinn.
    Es tat weh.
    Ja, es schmerzte, weil es das ist, was die Wahrheit immer tut. Wie ein Stich mit einem Messer traf die Wahrheit Catalina mitten in Herz und Verstand. Das Mädchen, das eine Kartenmacherin war und gerade zum ersten Mal in seinem Leben in das wahre Gesicht seiner Mutter geblickt hatte, wich schreiend vor der Frau zurück, die schon immer, all die Jahre über, die Fäden gezogen und mit den Schatten paktiert hatte.
    Und während sich der Staub langsam über die steinernen Ruinen senkte, fragte sich Catalina verwundert, warum sie das alles nicht schon früher erkannt hatte.
    Es war so klar. So deutlich.
    Und wie jeder Plan, so war auch dieser
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