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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt
Autoren: Christoph Marzi
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Klang der Eidechsenplättchen. Und ihre Augen waren nur hell, doch nicht mehr wunderbar. Alles verlor an Farbe und die Gefühle, die bunt und überschwänglich gewesen waren, verblassten im tristen Einerlei der Eintönigkeit. Jordi fragte sich, was gerade geschehen war, konnte es sich aber nicht erklären. Er fühlte sich, wie er sich immer gefühlt hatte. Ein wenig müde und ein wenig blass.
    So stand er da und sah der fliegenden Galeone hinterher.
    Ein lauwarmer Wind wehte ihm um die Nase, die Auge, durchs Haar.
    »El Cuento«, murmelte er nur.
    Natürlich wusste er noch, wer der Wind war. Er wusste auch, warum er der Meduza hinterherstarrte. Er hatte nicht vergessen, dass er Catalina befreien wollte und deswegen dem fliegenden Schiff folgen musste. Er erinnerte sich an den Kuss und all die anderen Dinge.
    Nur waren sie ihm mit einem Mal ganz gleichgültig geworden. Das war es, was geschehen war. Seine Gefühle waren fort und ohne Gefühle stand er jetzt da, spürte die Schatten nach seinem Herzen greifen und fragte sich, warum die singende Stadt plötzlich so schweigsam geworden war.
    Catalina blieb die Luft weg. Kühles Nass zerrte an ihr und sie war kurz davor, in Panik zu verfallen. Noch immer konnte sie nichts sehen, weil es stockfinster war. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, war der Schwarm gieriger Finsterfalter gewesen. Etwas hatte sie berührt, an der Hand, im Nacken, mitten im Gesicht. Sie hatte geschrien und die Krallenhand ihres Begleiters gefühlt, der sie nach vorn riss, und sie war gefallen und gefallen und gefallen. So lange, bis sie den Aufprall spürte und dann war da Wasser, überall Wasser, das über ihr zusammenschlug. Von da an war sie gesunken.
    Furcht und Panik waren sofort zur Stelle gewesen. Wie wild hatte sie mit den Armen gerudert.
    Und an Dinge gedacht. An den sonnigen Herbsttag, der so wunderschön hätte sein können, wäre da nicht ihr Vater gestorben. An ihre Mutter und das Lebwohl vor der Windmühle. An Jordi. Ja, vor allem dachte sie an ihn. Sah ihn vor sich, und als ihr die Luft aus den Lungen wich, da glaubte sie zu spüren, dass er sich in Gefahr befand. Dass ihm etwas zugestoßen war.
    Wo bin ich? Was ist das für ein Ort?
    Noch immer ruderte sie mit den Armen, schlug um sich, spürte, wie etwas ihre Haut streifte.
    Sie dachte an ihre Großmutter. Die Erinnerungen, die ihr der Aquamarin geschenkt hatte, flammten in der Dunkelheit auf.
    Dann wurde es Licht und die Lungen, die noch immer brannten, füllten sich mit Luft. Gierig sog Catalina sie ein. Sie hustete und spuckte Wasser. Als sie die Augen öffnete, konnte sie nur blinzeln, mehr nicht.
    »Wir sind in Sicherheit«, krächzte Ramon.
    Sie hustete erneut. Ganz schwach fühlte sie sich.
    »Wo sind wir?«
    »In einer Gezeitengondel«, lautete die Antwort. »Wir hatten Glück. Sie sind nur hier, wenn die Flut ansteigt.«
    Catalina versuchte zu begreifen, was geschehen war.
    »Die Finsterfalter hätten uns beinahe erwischt«, half Ramon ihr auf die Sprünge. »Die Schatten befallen die Menschen und Tiere gleichermaßen. Es breitet sich aus.«
    Plötzlich war wieder alles da. Sie war gestürzt, mitten hinein in die Nachtschwärze, und dann hatte sie gleichzeitig den Falter und das Wasser in ihrem Gesicht gespürt.
    »Ich habe dich in den Kanal gestoßen«, hörte sie Ramon neben sich sagen. »Es ist die einzige Möglichkeit gewesen, ihnen zu entkommen.«
    Ihr Blick klärte sich langsam. Sanftes Licht schimmerte in Wellenformen um sie herum.
    »Was ist das?«
    »Eine Gezeitengondel, das sagte ich doch bereits.« Ramon wirkte angespannt. Die Federn lugten jetzt noch viel dichter unter dem Haaransatz hervor.
    Catalina schwindelte, als sie einige Meter unter sich die Decke des Tunnels erkennen konnte, durch den der Kanal floss. Instinktiv hielt sie sich mit beiden Händen am Boden fest.
    »Du wirst dich daran gewöhnen.«
    »Woran?«
    »An die Perspektive«, sagte Ramon, der neben ihr stand und keine Probleme mit dem Gleichgewichtssinn zu haben schien. »Unten ist oben und oben ist unten. So sind die Gezeitengondeln nun einmal.«
    Catalina konnte nichts anderes tun, als den Boden anzustarren, auf dem sie kniete. Er sah aus wie Holz, atmete aber, als sei er aus Fleisch und Blut. Das Ding war geformt wie eine schlanke Gondel, mit einem geschwungenen Bug und einem verschnörkelten Heck, das Ähnlichkeit mit einem riesigen bunten Fischschwanz hatte. Ein wenig schaukelte es, während es sich vorwärtsbewegte.
    Catalina wagte
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