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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt
Autoren: Christoph Marzi
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Und das, meine ich, sollten wir vermeiden, wenn wir die Bezahlung sichern wollen.«
    Sie hatte gelacht.
    Und der alte Márquez ebenso.
    »Catalina?«
    Es war der Kartenmacher, der den Kopf zur Bodenluke hereinsteckte und sie fragend ansah.
    »Ja?«
    »Ich bin hungrig.«
    Das Mädchen stand augenblicklich auf. »t’schuldigung.«
    »Eine Tortilla wäre jetzt eine feine Sache«, schlug Márquez vor und verschwand auch gleich wieder nach unten.
    Barfuß kletterte Catalina hinter dem Kartenmacher die Leiter herunter.
    Der untere Raum war geräumig und lichtdurchflutet. Hier fertigte Márquez auf einem riesigen Holztisch seine Karten an und hielt Siesta in einem richtigen Bett, das gleich neben dem Arbeitstisch stand. Es gab eine Küche und eine Ecke, in der sich die Holzscheite für den Herd und den Kamin stapelten. Daneben befand sich ein Vorsprung in der Mauer, der als eine Art Tisch genutzt werden konnte. In der Mitte des Raums lief die Königsspindel nach unten in den Boden.
    Während Márquez sich wieder an seinen Arbeitsplatz hockte, ging das Mädchen zum Herd und bereitete mit geübten Handbewegungen eine Tortilla zu. In Windeseile roch es in der Windmühle nach Kartoffeln und Ei. Catalina lief kurz vor die Tür, zupfte einige Blätter Basilikum im Kräutergarten, pflückte Tomaten und kehrte ins Haus zurück. Sie schnitt die Tomaten in dicke Schreiben, die sie mit Olivenöl übergoss. Zum Abschluss legte sie die Basilikumblätter auf die Tomaten. Fertig war das Abendessen.
    »Wir müssen reden«, sagte Arcadio Márquez, nachdem er aufgegessen hatte.
    Catalina blickte auf und schüttelte langsam den Kopf.
    Ja, sie wusste, dass heute der Todestag ihres Vaters war. Und sie wusste auch, dass der Kartenmacher sich Sorgen um sie machte. Aber sie hatte immer noch keine Lust, darüber zu sprechen. Sie wollte die Tomaten und die Reste der Tortilla aufessen, nach oben gehen und an ihrer Karte weiterzeichnen, das war alles.
    »Deine Mutter war eine talentierte Kartenmacherin.« Márquez starrte den leeren Teller an, der vor ihm stand. Dann nahm er ein Stück Brot und tunkte es ins Olivenöl. »Sie konnte Karten zeichnen, wie niemand sonst es vermochte.« Er knabberte an dem Brot. »Das ist ihr besonderes Talent gewesen, weißt du?«
    Catalina runzelte die Stirn. Was meinte er damit? Natürlich wusste sie, dass ihre Mutter eine Kartenzeichnerin war, gerade deswegen hatte sie Catalina ja hierhergebracht. Weil sie hoffte, dass das gleiche Talent auch in ihrer Tochter schlummerte.
    »Aber hat sie dir auch von den Karten erzählt, die sie gezeichnet hat?« Márquez’ Stimme nahm einen Flüsterton an.
    Catalina sah ihn verwirrt an. Was hatte das alles mit ihrem Vater zu tun? Oder ging es etwa gar nicht um ihn?
    »Den besonderen Karten, die nur Sarita allein zeichnen konnte?« Márquez blickte sie eindringlich an.
    »Was heißt das?«, fragte sie und merkte, dass auch sie unwillkürlich flüsterte.
    Márquez stand auf und ging zu einer Landkarte aus dem 16. Jahrhundert, die an der Wand über dem knatternden Kühlschrank hing. Sorgfältig hing er den Rahmen mit der Karte darin ab. Dahinter kam ein Loch in der Mauer zum Vorschein. Dort zog er heraus, was er Catalina zeigen wollte.
    »Komm her«, forderte er sie auf und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, zu seinem Arbeitstisch. Mit flinken Handbewegungen fegte er die anderen Karten und Utensilien beiseite.
    Langsam, behutsam, rollte er die Karte vor dem Mädchen auf.
    »Das ist es, was Sarita Soleado tun konnte.«
    Catalina starrte ihn sprachlos an.
    Sie streckte die Hand aus, um die feinen Linien auf der Karte zu berühren. So lebendig wirkten sie. Ganz warm und fast schon, als würden sie… nun ja, atmen. Es war ein Stadtplan auf brüchigem Pergament. Die Karte zeigte Barcelona, wie es einmal gewesen war. Im Jahre 1345. Die singende Stadt war damals kleiner gewesen, als sie es heute war. In den Kartuschen am Rand der Karte standen Erläuterungen zu den Straßen und Plätzen. Ein leises Summen war zu hören wie der Hall von Liedern aus den engen Gassen von Vilapicina. Wie dahingehauchte Melodien aus einer ganz anderen Zeit, gespielt auf Instrumenten, die heute kaum jemand mehr benutzte.
    »Was ist das?«
    »Du meinst die Musik?« Der Kartenmacher lächelte wissend.
    »Ja.«
    »Dies hier«, betonte er, »ist die singende Stadt.«
    Das Mädchen fragte sich einen Augenblick lang, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
    Doch bevor sie eine weitere Frage stellen konnte, berührte der
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