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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen
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oder um auf dem schönen, glatten Eis eine Partie Krocket zu spielen.
    Sie waren weitergelaufen, nach Norden in Richtung Waterland abbiegend. Erst auf dem Rückweg würde sie, dieKleine Rote, neben ihm laufen wollen, dann würde auch sie an zu Hause denken.
    Nicht klein und nicht einmal wirklich rothaarig. Nur bei einer bestimmten Beleuchtung bekam das Blond den Ton von Feuer. Doch Spitznamen tun nun mal, was sie wollen, entspringen sie doch in der Regel einem ganz willkürlichen Moment. In diesem Fall war das ein lange verflogener Moment in der Schenke Zum letzten Stuiver gewesen, wo der Wirtin plötzlich eingefallen war, daß sie den Maler, damals noch Junggeselle, gelegentlich in Gesellschaft einer aschblonden beziehungsweise kastanienbraunen Freundin bedient hatte. Und nach einer kurzen Zeit der Abwesenheit also jetzt mit dieser.
    »Hör mal.«
    Die Wirtin, mit den Händen unter der Schürze ihre Brüste haltend, beugte sich über die Theke zu ihm vor, weil sie ihm etwas zu sagen hatte. Er hatte, allein, für ein schnelles Glas Platz genommen. Die Schenke lag in der Nähe des Hauses, in dem er damals wohnte und arbeitete.
    »Ja, Miep.«
    »Diese kleine Rote …«
    Es hatte einen Moment gedauert, bis ihm aufging, daß sie die hochgewachsene Friesin meinte, fast so groß wie er selbst, mit der er hier in der vergangenen Woche ein Glas Met getrunken hatte.
    »Ja?«
    Die Wirtin zog ihre Hände hervor, legte sie gespreizt auf die Theke und sah ihn todernst an.
    »Zu der mußt du sehr gut sein.«
    Er hätte durchaus grinsen und lachen können, die Frau hatte ja keine Ahnung, doch er hatte nur genickt und »diekleine Rote« gedacht. Nachdem er gezahlt hatte, hatte er der Wirtin ein dankbares Lächeln geschenkt, warum, wußte er selbst nicht.
     
    An jenem Tag war sie also erst vor ihm hergelaufen und dann, auf dem Nachhauseweg, ganz dicht neben ihm. Dieses Schlittschuhlaufen als Paar ist etwas sehr Schönes, wenn man die Bewegungen des anderen kennt und vorausahnt, Hüfte an Hüfte, Arme verschränkt, Hände gefaßt. Die ganze Zeit auf diesen magnetischen kleinen Abstand zwischen einem selbst und dem anderen eingestellt, flitzt man durch eine unermeßliche Welt, die kalt, frisch und bereits ein wenig dämmrig ist. Sie wurde nicht schwanger in jener Nacht, und das war überhaupt nicht schlimm. Vielleicht wird sie heimlich, zwischendurch, nach mehr als fünf Monaten, ein Stoßgebet gen Himmel geschickt haben. Davon wird eine Frauenumarmung kein bißchen weniger wollüstig, keineswegs. Erst ganz am Ende des Winters kam ihr großer Triumph. Dein Mann kann das , und das ist seit seinem ersten Gruppenporträt nach Ansicht aller, die es wissen müssen, außerordentlich viel, aber du …
    »Ja! Nein! Was! Bist du sicher?«
    Sie hatte am Fenster gestanden. Sie hatte, als wäre das eine Antwort, ihren Knoten gelöst und ihr glänzendes rotblondes Haar ein paarmal geschüttelt. Sie war sich sicher.
    Der kleine Sohn, Bart, wurde zu Beginn des darauffolgenden Winters geboren und starb im nächsten Februar.
    Ihre Trauer war allumfassend. Von da an schien sie zu wissen, was Totsein ist. Alle Toten, die sie bis dahin gesehen hatte, so strahlte sie achtlos aus, waren, wie sich bei näherer Betrachtung herausstellte, lediglich Umstände, die das Lebenein wenig verändert hatten, Leute, die nicht mehr vorbeischauten oder sich nicht mehr mit zu Tisch setzten. Nur dieser eine hatte ihr mit seinem weißen Gesichtchen, erst drei Monate alt und schon so stolz, offenbar zu sagen vermocht, daß Totsein das war. Das. Ihr gemeinsames Leben änderte sich nicht. Alles im Haus lief so, wie es vorher gelaufen war. Er hatte gerade in jener Zeit ein paar ziemlich hoffnungslose Bilder für den Prinzen, eine Grablegung und eine Auferstehung, erneut in Angriff genommen, bei denen er einfach nicht hinbekam, was er wollte und was die Bilder selbst wollten, was sie grollend von ihm verlangten. Welche Erleichterung, abends dann nach einer kleinen Radierplatte zu greifen, eine zusätzliche Lampe anzuzünden und sie zu fragen, ob sie ihm eben mal Modell sitzen wolle!
    »So?«
    »Ja, mein Liebes.«
    »Wo soll ich hinschauen?«
    Sie hatte, das Häubchen auf dem teilweise hochgesteckten Haar, ihr Gesicht zu ihm erhoben, fragend, freundlich und – immer, ob sie es wollte oder nicht – wissend. Sie war etwas dicker geworden, auch die Tränensäcke, diese reizenden kleinen Kissen unter ihren Augen, waren etwas stärker ausgepolstert.
    »Ja, so. Sieh mich an.«
    Er
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