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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita
Autoren: Claudio M. Mancini
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felsigen Steilwand wie ein überdimensionaler Monolith in den wolkenlosen Himmel ragte.
    Der Mann im feinen dunkelblauen Zwirn schlug lässig die Beine übereinander, lockerte seine Seidenkrawatte und öffnete den obersten Hemdknopf. Unter den Sonnenschirmen herrschte zwar noch angenehme Kühle, aber die Hitze würde nicht mehr lange auf sich warten lassen und die Menschen von der Terrasse vertreiben. Der elegante Maßanzug, handgenähte schwarze Schuhe aus feinstem Leder, das Designerhemd, dessen Manschetten eine edle Schweizer Uhr am Handgelenk freigaben, all die Accessoires menschlicher Profilierungssucht bewiesen teuren, modischen Geschmack. Man konnte annehmen, dass ein erfolgreicher Unternehmer, für den Geld offensichtlich eine untergeordnete Rolle spielte, sich hier zu einem Meeting eingefunden hatte. Sein Blick schweifte hinüber zum blassrosafarbenen Castello Utveggio, einer mit Zinnen versehenen Burg, die wie die Gebieterin Palermos über der weiten Bucht thronte.
    Die scheinbar gelöste Miene des Mannes und das militärisch korrekt gescheitelte Haar täuschten über seine wahre Verfassung hinweg. Sah man genauer hin, offenbarte sich in scharfen Falten, die sich steil von den Nasenflügeln bis zu den Mundwinkeln eingegraben hatten, bittere Lebenserfahrung, und seine fünfunddreißig Lebensjahre waren auch sonst nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Körperhaltung, Habitus und nicht zuletzt die Augen drückten Zynismus und Arroganz aus, ungezügelten Herrscherwillen, wie man ihn nur bei jemandem fand, der es gewohnt war, Befehle und Anweisungen zu erteilen.
    Der Mann warf einen ungeduldigen Blick auf seine Armbanduhr und schaute sich suchend um. Erfolglos. Er förderte aus seiner Jackentasche ein zerknittertes Päckchen Camel, steckte sich eine Zigarette an und legte die Packung gedankenlos auf den Tisch. Missmutig nahm er sich die nächste Zeitung vor, überflog die Schlagzeilen und blätterte weiter. Schon bald warf er sie auf den bereits gelesenen Stapel. Als er nach einem Blatt der sizilianischen Boulevardpresse griff, näherte sich mit schnellen Schritten ein schlaksiger junger Mann.
    »
Salve,
Fessoni«, grüßte er lächelnd, ließ sich auf den Stuhl gegenüber des Angesprochenen fallen und warf einen interessierten Blick auf die Ansammlung von Zeitungen. »Und? Haben sie es schon gebracht?«
    »Nein, haben sie nicht!«, bellte Fessoni ungnädig zurück. »Im Gegensatz zu Ihnen hat sich Casagrande korrekt zurückgemeldet. Er sagte, Sie seien in der Nacht spurlos verschwunden. Inzwischen sind Sie seit über zwölf Stunden überfällig. Ebenso lang war Ihr Handy abgeschaltet. Niemand konnte Sie erreichen. Ich möchte wissen, wo Sie die ganze Zeit gesteckt haben, Tenente Montoglio! Seit heute früh vier Uhr werden Sie von der halben Abteilung fieberhaft gesucht. Eine Frechheit, mich einfach vor einer halben Stunde anzurufen und hierherzubeordern …«
    »Darf ich?«, erwiderte der junge Oberleutnant mit einem Blick auf die Zigaretten, ohne auf den scharfen Tadel seines Gegenübers einzugehen. Er griff über den Tisch nach der Packung und bediente sich.
    »Ich habe Sie etwas gefragt, Montoglio. Und nennen Sie mich gefälligst mit meinem Dienstrang, wenn ich bitten darf! Auch wenn wir Zivil tragen, heißt das nicht, dass wir uns hier privat vergnügen.«
    Ein amüsiertes Lächeln huschte über Montoglios Gesicht. Doch seine Augen hatten plötzlich einen gefährlichen Glanz angenommen. »Hab ich gehört.« Er grinste unverschämt. »Im Gegensatz zu Ihnen hatte ich keine Zeit, Signor Colonnello. Ich musste mich um wichtige Dinge kümmern.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel darum, dass uns die Herren des zivilen Geheimdienstes SISDE ständig in die Quere kommen. Seit neuestem überwachen sie sogar schon in Palermo jeden unserer Schritte, dabei sollten die Kollegen wissen, dass wir uns nicht so einfach in die Karten sehen lassen.«
    »Ja und …? Routine, oder?«
    »Sicher doch.«
    »Ist das Ihre Entschuldigung für unerlaubte Entfernung von der Truppe? Was gab es so Wichtiges für Sie?«
    Sandro Montoglio schien nach Worten zu suchen. Plötzlich beugte er sich über den Tisch und flüsterte: »Ach … jetzt fällt es mir wieder ein. Besonders wichtig war für mich zu erfahren, was meine Frau in ihrer Freizeit alles anstellt.« Montoglio beobachtete lauernd den Oberst, der wie von der Tarantel gestochen von seinem Stuhl hochgesprungen war.
    »Was interessiert mich Ihre Frau, Tenente?« Fessonis Blicke
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