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Makroleben

Makroleben

Titel: Makroleben
Autoren: George Zebrowski
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hinausschauen, während seine Sinne auf der Erde nach Sonne, warmem Wasser und Liebe verlangten. Dort auf dem Mond waren die Schatten scharf umrissen und ließen ihn Unterschiede klar erkennen, holzten das üppige Wachstum seiner Emotionen ab; hier wuchsen seine Gefühle in chaotischer Weise, verdeckten seine Gefühle, schwächten ihn.
    Er vermißte den Geist von Übereinstimmung, der sich bei den Wissenschaftlern und Lehrern von Plato fand, ebenso wie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei den Bewohnern der Lunar-Kolonie; bei den L-5-Kolonisten von Asterom, auf dem Mars und auf Ganymed war es ebenso, wie ihm berichtet worden war. Die Kolonien waren ein neuer Zweig der Menschheit, die durch einen ständigen Kampf um Problemlösungen an die Umwelt gebunden waren, der von ihnen die Entschlossenheit verlangte, sich durch Meinungsverschiedenheiten durchzuarbeiten und zu dem bestmöglichen Schluß zu kommen, wie der auch immer aussehen mochte; die Weite des freien Raums fand ihre Entsprechung in der Weite forschender Geister. Gelang es nicht mehr, diese Geisteshaltung zu bewahren, so konnten die Folge davon kostspielige Katastrophen und Verlust von Leben sein.
    Diejenigen, die permanent auf dem Mond, Mars oder Ganymed wohnten, konnten niemals in die hohe Schwerkraft der Erde ohne ein Stützkorsett mit unabhängiger Muskelkraftverstärkung oder Rollstühlen zurückkehren; ein großer Teil der wachsenden Bevölkerung dieser Kolonien verspürte keinerlei Bedürfnis, jemals wieder die Erde zu besuchen. Die Gravitation von Asterom entsprach der der Erde, aber die Kolonisten dort hatten trotzdem mehr mit der Menschheit im Sonnenraum als mit der Erde gemeinsam. Er fragte sich, ob es Margot und ihm gelingen würde, sich völlig von der Erde zu trennen und an anderer Stelle in der wachsenden Familie von Kolonien im Sonnensystem ein neues Leben zu beginnen. Und er fragte sich, ob es ihm jemals gelingen würde, sich von der Tatsache seines Familiennamens zu lösen.
    Wie werde ich jemals Margot vorstellen, fragte er sich, als er sich wieder zur Balkontür in Bewegung setzte. Der Gedanke, daß er nicht wußte, wie es im Inneren seiner Eltern aussah, verblüffte ihn, und er blieb noch einmal stehen. Er kannte ihre Gesichter, den Blick in ihren Augen, ihre Sprechgewohnheiten und ihre Kleider; er kannte sie jedoch nicht, wie er Margot kannte. Er kannte Sam; Orton war leicht zu verstehen.
    Margot hatte Glück, daß sie keine Eltern mehr hatte; ihre Vergangenheit war verschwunden, und das ließ ihr die Freiheit, ihre eigenen Wege zu gehen, ohne sich ständig an ihr zu messen. Die Vergangenheit verschwor sich nicht gegen sie, um sie in ihren Dienst zu bringen. Seine Vergangenheit hingegen wartete darauf, ihn mit ihrem komplizierten System von Geld und Verantwortung zu verschlingen. Es war ihm klar, daß er vielleicht nie etwas leisten würde, was dem Reichtum und der geballten Macht seiner Familie ebenbürtig sein würde. Seine intellektuellen und wissenschaftlichen Leistungen würden nur dann respektiert werden, wenn ihnen praktische Konsequenzen folgten; eine Abhandlung oder eine Theorie wären nicht genug. Selbst seine Mutter, der er wirklich fehlte, kümmerte sich kaum um seine Arbeit in Philosophie und Naturwissenschaft.
    Nur vor wenigen Jahren hatte es eine Zeit gegeben, in der er und Sam sich in ihren Diskussionen noch über ihr alltägliches Leben erheben konnten. Sie waren in der Lage gewesen, sich unabhängig und doch um alles wissend von den Familienangelegenheiten zu trennen und über die Gefahren zu sprechen, die ihrem persönlichen Glück und ihren Leistungen von der Vergangenheit drohten. Sam Bulero hatte den schmerzhaftesten Weg gewählt und alle Anteile an der Gesellschaft verkauft, nachdem er für sich eine Rente eingerichtet hatte. Sein Bruder Jack nahm ihn deshalb ständig auf den Arm, obwohl die Rente Sam weniger Geld brachte als das, was man ihm in Princeton bezahlte. Sam leistete jedoch wirkliche Arbeit, die für ihn eine Quelle von dauerhaftem Ruhm war. Jack Bulero war ein geschickter Scharlatan, aber das wußten nur seine Familie und seine engsten Bekannten. Mein Vater, dachte Richard. Kein böser Mann, nur jemand, der nicht das ist, was er von sich behauptet.
    Wie lange wird es noch dauern, bis ich mich einmische, um mir einen Anteil zu holen? Mit der Zeit würde aus Richard Bulero ein Mittel werden, das der Pflege und Erhaltung der Bulero-Unternehmensgruppe diente. Als Gegenleistung würden seine Bedürfnisse und
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