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Maigret und die Unbekannte

Maigret und die Unbekannte

Titel: Maigret und die Unbekannte
Autoren: Georges Simenon
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Revierinspektor.«
    »Haben Sie das Mädchen jemals gesehen?«
    Lognon war der Mann, der die Umgebung der Place Blanche und der Place Pigalle am besten kannte.
    »Noch nie.«
    »Ob es ein Animiermädchen ist?«
    »Wenn, dann nur eine, die das gelegentlich macht. Ich kenne sie fast alle.«
    »Ich werde Sie brauchen.«
    »Sie sagen das wohl nur, um mir eine Freude zu machen. In dem Augenblick, da sich der Quai des Orfevres mit dem Fall befaßt, geht er mich nichts mehr an. Denken Sie nicht, daß ich etwas dagegen sagen will. Das ist ganz natürlich, und ich bin es gewohnt. Sie brauchen mir nur Befehle zu geben, und ich werde mein Bestes tun.«
    »Vielleicht wäre es ganz gut, wenn man jetzt gleich die Portiers der Nachtlokale verhören würde.«
    Lognon warf einen Blick auf die Leiche und seufzte:
    »Schön, ich werde es tun.«
    Er hatte den dunklen Gedanken, daß man ihn absichtlich fortschickte. Mit seinen immer etwas müden Schritten überquerte er die Straße und blickte sich nicht einmal um.
    Der Wagen des Erkennungsdienstes kam angefahren.
    Einer von den Polizisten bemühte sich, einen Betrunkenen wegzudrängen, der herangekommen war und sich laut darüber entrüstete, daß man der ›kleinen Dame‹ nicht beistehe.
    »Ihr seid alle gleich, ihr von der Polente. Weil jemand ein Glas zuviel getrunken hat…«
    Nachdem die Aufnahmen gemacht worden waren, konnte sich der Arzt über die Leiche beugen und sie auf den Rücken legen, so daß man nun ihr ganzes Gesicht sah, das in dieser Lage noch jünger wirkte.
    »Todesursache?« fragte Maigret.
    »Schädelbruch.«
    Der Arzt hatte die Finger in das Haar der Toten gesteckt.
    »Sie ist mit einem schweren Gegenstand, einem Hammer, einem Schraubenschlüssel, einem Stück Bleirohr, was weiß ich, auf den Kopf geschlagen worden. Vorher hat sie mehrere Schläge ins Gesicht bekommen, wahrscheinlich Faustschläge.«
    »Können Sie sagen, wann sie ungefähr gestorben ist?«
    »Nach meiner Meinung zwischen zwei und drei Uhr. Dr. Paul wird es Ihnen nach der Autopsie genauer sagen können.«
    Der kleine Lastwagen des Gerichtsmedizinischen Instituts war ebenfalls gekommen. Die Männer warteten nur auf ein Zeichen, um die Leiche auf eine Bahre zu legen und zum Pont d’Austerlitz zu bringen.
    »Na, dann macht schon«, seufzte Maigret.
    Er sah Janvier fragend an.
    »Essen wir noch eine Kleinigkeit?«
    Sie hatten beide keinen Hunger, aber sie setzten sich trotzdem in eine Brasserie, wo sie, weil sie es sich nun mal eine Stunde vorher vorgenommen hatten, eine Zwiebelsuppe bestellten. Maigret hatte Anweisung gegeben, ein Foto der Toten an die Zeitungen zu schicken, damit es, wenn möglich, noch in den Morgenausgaben erscheine.
    »Gehen Sie hin?« fragte Janvier.
    Maigret wußte, daß er damit das Gerichtsmedizinische Institut meinte.
    »Ich glaube, ja.«
    »Dr. Paul wird dort sein. Ich habe ihn angerufen.«
    »Einen Calvados?«
    »Ja, gern.«
    An einem Nebentisch aßen zwei Frauen Sauerkraut, zwei Animiermädchen im Abendkleid, und Maigret beobachtete sie aufmerksam, als ob er feststellen wollte, inwiefern sie sich von der jungen Unbekannten unterschieden.
    »Gehst du nach Hause?«
    »Ich begleite Sie«, erwiderte Janvier.
    Um halb fünf betraten sie das Gerichtsmedizinische Institut, Dr. Paul, der eben gekommen war, streifte sich gerade einen weißen Kittel über und hatte, wie immer, wenn er eine Autopsie vornahm, eine Zigarette im Mundwinkel.
    »Haben Sie sie schon untersucht, Doktor?«
    »Nur flüchtig.«
    Die Leiche lag nackt auf einer Marmorplatte, und Maigret wandte den Blick ab.
    »Wie alt schätzen Sie sie?«
    »Zwischen neunzehn und zweiundzwanzig. Sie war gesund, aber unterernährt.«
    »Ein Animiermädchen?«
    Dr. Paul sah ihn zwinkernd an:
    »Sie meinen ein Mädchen, das mit den Gästen schläft?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Nun, dann muß ich antworten: nein.«
    »Wieso können Sie das so kategorisch sagen?«
    »Weil das Mädchen noch nie mit jemandem geschlafen hat.«
    Janvier, der mechanisch die von einem elektrischen Scheinwerfer beleuchtete Tote betrachtete, blickte errötend weg.
    »Sind Sie dessen sicher?«
    »Ganz sicher.«
    Er zog seine Gummihandschuhe an und legte auf einem Emailletisch Instrumente zurecht.
    »Bleiben Sie hier?«
    »Wir bleiben in der Nähe. Wird es lange dauern?«
    »Eine knappe Stunde. Es hängt davon ab, was ich finden werde. Wollen Sie eine Analyse des Mageninhalts?«
    »Ja, das wäre mir lieb. Man weiß ja nie.«
    Maigret und Janvier gingen in
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