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Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Titel: Maigret und die Affäre Saint Fiacre
Autoren: Georges Simenon
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Herr Pfarrer, und Sie auch, Doktor, daß ich Sie an diesem Dreck schnüffeln lasse … Aber es steht ja fest: Die offizielle Justiz, jene der Gerichte, kommt da nicht zum Zug … Nicht wahr, Monsieur Maigret? … Haben Sie wenigstens verstanden, als ich Ihnen vorhin immer wieder mit dem Fuß Ze i chen gab? …«
    Er lief hin und her, vom Licht in den Schatten tretend und vom Schatten wieder ins Licht. Er machte den Eindruck eines Mannes, der sich zurückhält, der seine Ruhe nur mit größter Anstrengung zu bewahren ve r mag. Manchmal ging er so nahe an Gautier heran, daß er ihn fast streifte.
    »Welche Versuchung, den Revolver zu packen und zu schießen! Ja, ich hatte es selber angekündigt: Der Schu l dige würde um Mitternacht tot sein! Und du, du wu r dest zum Verteidiger der Ehre der Saint-Fiacre!«
    Diesmal schlug er so hart zu, mitten ins Gesicht, daß heftiges Nasenbluten eintrat. Emile Gautier hatte den Blick eines verendenden Tiers. Der Schlag ließ ihn taumeln, und er war nahe daran, vor Schmerz, Angst und Verwirrung in Tränen auszubrechen. Der Anwalt wollte dazwischentreten, doch Saint-Fiacre stieß ihn zurück:
    »Was erlauben Sie sich! Sie!«
    Dieses Sie zeigte die ganze Distanz zwischen ihm und den übrigen. Maurice de Saint-Fiacre dominierte sie.
    »Sie entschuldigen mich, Messieurs! Ich habe noch eine kleine Formalität zu erledigen.«
    Er öffnete die Türe weit, drehte sich zu Gautier:
    »Komm! …«
    Der andere blieb stehen, wie angewurzelt. Der Korridor lag unbeleuchtet da. Er wollte dort nicht mit seinem Gegner allein sein.
    Es dauerte nicht lange. Saint-Fiacre ging hin und schlug wiederum zu, so daß Gautier durch die Türe stolperte.
    »Hinauf!«
    Und er wies nach der zum ersten Stock führenden Treppe.
    »Kommissar, wenn etwas passiert …!« keuchte der Verwalter.
    Der Priester hatte das Gesicht abgewandt. Er litt. Aber er brachte nicht die Energie auf einzugreifen. Alle waren sie erschöpft, und Métayer schenkte sich zu tri n ken ein, irgend etwas, so ausgedörrt war seine Kehle.
    »Wo gehen sie hin?« fragte der Anwalt.
    Man hörte sie den Korridor entlanggehen, dessen Steinfliesen unter ihren Schritten hallten. Und man ve r nahm Gautiers heftiges Schnaufen.
    »Und Sie haben das alles gewußt!« sagte Maigret langsam, leise zum Gutsverwalter. »Es war ein abgekartetes Spiel zwischen Ihnen und Ihrem Sohn! Sie hatten schon die Pachthöfe, die Hypotheken … Aber Jean Métayer blieb gefährlich … Die Gräfin aus dem Weg schaffen … Und zugleich den Gigolo, auf den der Verdacht fallen würde …«
    Ein Schmerzensschrei! Der Arzt lief zum Korridor, um nachzuschauen, was vor sich ging.
    »Nichts«, meldete er. »Der Lump will nicht raufgehen, und der Graf hilft ein bißchen nach.«
    »Grauenhaft! … Es ist ein Verbrechen! … Was hat er vor?« rief der alte Gautier und stürzte hinaus.
    Maigret folgte ihm, ebenso der Arzt. Sie kamen zum Fuß der Treppe in dem Augenblick, in dem die beiden anderen oben die Türe des Sterbezimmers erreichten.
    Und man vernahm die Stimme von Saint-Fiacre:
    »Geh rein!«
    »Ich kann nicht … Ich …«
    »Geh rein!«
    Ein dumpfes Klatschen. Ein weiterer Faustschlag.
    Vater Gautier rannte die Treppe hinauf, Maigret und Bouchardon hinterher. Alle drei kamen oben an, als die Türe sich schloß, und niemand machte mehr eine B e wegung.
    Zunächst hörte man nichts hinter der schweren eichenen Türfüllung. Der Verwalter hielt den Atem an, das Gesicht im Dunkeln verzerrt.
    Ein dünner Lichtstreifen schimmerte über der Schwe l le.
    »Auf die Knie!«
    Eine Pause. Keuchendes Schnaufen.
    »Schneller! … Auf die Knie … Und jetzt, bitte um Verzeihung! …«
    Eine weitere Pause, recht lang. Ein Schmerzensschrei. Diesmal war es nicht ein Fausthieb, der den Mörder g e troffen hatte, sondern ein Fußtritt mitten ins Gesicht.
    »Ver… Verzeihung! …«
    »Ist das alles? … Ist das alles, was du zu sagen weißt? Denk dran, daß sie es war, die für deine Ausbildung g e sorgt hat …«
    »Verzeihung.«
    »Denk dran, daß sie vor drei Tagen noch lebte!«
    »Verzeihung!«
    »Denk dran, mieser kleiner Schuft, daß du dich seinerzeit in ihr Bett geschlichen hast …«
    »Verzeihung … Verzeihung! …«
    »Gib dir mehr Mühe! … Los! … Sag ihr, daß du eine widerliche Laus bist … Wiederhol’s! …«
    »Ich bin …«
    »Auf die Knie, hab ich gesagt! … Brauchst du einen Teppich?«
    »Au … Ich …«
    »Bitte um Verzeihung …«
    Und plötzlich folgten diesem von
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