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Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Titel: Maigret und die Affäre Saint Fiacre
Autoren: Georges Simenon
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Opposition, der, bis dahin unbekannt, durch seine Rede die Regierung ins Wanken bringt, sie stürzt und sich als erster darüber wundert, weil er eigentlich nur ein paar Zeilen im Journal officiel erreichen wollte.
    Solch eine Stunde war Maurice de Saint-Fiacre beschieden. Eine Kraft beseelte ihn, die er selbst nicht in sich vermutete, und die anderen konnten bloß den Kopf senken.
    War es indessen nicht Trunkenheit, die ihn derart aus sich herausgehen ließ?
    »Kehren wir zu dem zurück, was am Anfang unserer Unterhaltung stand, denn noch ist es nicht Mitternacht … Ich sagte, daß sich der Mörder meiner Mutter unter uns befinde … Ich habe dann gezeigt, daß es ebensogut ich sein könnte wie einer von Ihnen, außer vielleicht dem Kommissar und dem Arzt! … Allerdings, sicher bin ich nicht … Und ich habe seinen Tod angekündigt …
    Gestatten Sie mir einmal mehr das Spiel mit Hypothesen? Er weiß, daß das Gesetz ihm nichts anhaben kann. Doch er weiß auch, daß wir einige sind, oder eher, daß es einige Leute geben wird, sechs mindestens, die von seinem Verbrechen wissen … Wieder sehen wir uns vor mehreren denkbaren Lösungen …
    Die erste ist die romantischste, jene, die Walter Scott am angemessensten wäre … Aber ich muß eine weitere Zwischenbemerkung einschalten … Was ist die Besonderheit dieses Verbrechens? … Daß es wenigstens fünf Menschen gibt, die ständig um die Gräfin waren … Fünf Menschen, die Interesse an ihrem Tod hatten, die vielleicht, jeder für sich, die Möglichkeit in Betracht z o gen, diesen herbeizuführen … Ein einziger hat’s gewagt … Ein einziger hat getötet!
    Nun, ich kann mir vorstellen, daß der Betreffende diesen Abend benützt, um sich an den anderen zu rächen … Er ist verloren … Warum nicht uns alle in die Luft jagen?«
    Und Maurice de Saint-Fiacre schaute sie mit entwaffnendem Lächeln der Reihe nach an.
    »Ist es spannend genug? Das alte Speisezimmer des a l ten Schlosses, die Kerzen, der Tisch voll Flaschen … Dann, um Mitternacht, der Tod … Beachten Sie, daß damit zugleich der Skandal vermieden wird … Morgen kommen die Leute angelaufen und begreifen überhaupt nichts … Man redet von einem Unglück oder einem a n archistischen Attentat …«
    Der Anwalt rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, warf einen scheuen Blick um sich, in den Halbschatten, der kaum einen Meter vom Tisch entfernt b e gann.
    »Wenn ich mir erlauben darf, daran zu erinnern, daß ich Arzt bin«, brummelte Bouchardon, »dann würde ich jedem von uns eine Tasse recht schwarzen Kaffee em p fehlen.«
    »Und ich«, sagte der Priester gemessen, »ich möchte Sie daran erinnern, daß sich eine Tote im Haus befi n det.«
    Saint-Fiacre zögerte kurz. Ein Fuß streifte jenen Maigrets, der sich augenblicklich bückte, auch diesmal zu spät.
    »Ich bat Sie, mir Zeit bis Mitternacht zu lassen … Ich habe bloß schon die erste Hypothese untersucht … Es gibt eine zweite … Der Mörder, gejagt, verstört, schießt sich eine Kugel in den Kopf … Daß er das tun wird, glaube ich allerdings nicht.«
    »Ich bitte inständig darum, daß wir ins Rauchzimmer hinübergehen«, quäkte der Anwalt, aufstehend, wobei er sich an seine Stuhllehne klammern mußte, um nicht hinzufallen.
    »Und schließlich gibt es eine dritte Hypothese … Jemand, dem an der Ehre der Familie liegt, kommt dem Mörder zu Hilfe … Warten Sie … Das Problem ist komplexer … Gilt es nicht, den Skandal zu vermeiden? … Gilt es nicht, dem Schuldigen zu helfen , sich selbst das Leben zu nehmen? … Der Revolver liegt da, Me s sieurs, gleich weit entfernt von allen Händen … Es ist zehn Minuten vor Mitternacht … Ich wiederhole, um Mitternacht ist der Mörder tot …«
    Und diesmal war der Ton so, daß alle stumm blieben, den Atem anhielten.
    »Das Opfer liegt dort oben; ein Dienstbote wacht bei ihm … Der Mörder ist hier, von sieben Personen umg e ben …«
    Saint-Fiacre leerte sein Glas in einem Zug. Und der anonyme Fuß streifte wiederum den Fuß Maigrets.
    »Sechs Minuten vor Mitternacht … Herrscht genug Walter Scott-Stimmung? … Fürchte dich, Mörder …«
    Er war betrunken! Und er trank weiter!
    »Fünf Personen mindestens, denen es möglich wäre, eine alte Frau auszuplündern, der ihr Mann fehlte und ein bißchen zärtliche Wärme … Einer hat es getan! … Wird es eine Bombe oder der Revolver sein, Messieurs? Eine Bombe, die uns alle in die Luft jagt, oder der R e volver, der nur den Schuldigen
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