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Maigret und das Verbrechen in Holland

Maigret und das Verbrechen in Holland

Titel: Maigret und das Verbrechen in Holland
Autoren: Georges Simenon
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junge Mann sicher gleich wieder umg e fallen. Türen gingen auf. Ma i gret donnerte:
    »Alle sollen hinuntergehen!«
    Er hatte den Revolver in der Hand und nahm sich nicht besonders in acht, denn er war es gewesen, der an Stelle richtiger Kugeln blinde Munition geladen hatte.
    Pijpekamp wischte seine staubige Jacke mit dem Handrücken ab. Jean Duclos zeigte auf Barens und fra g te:
    »Ist er es?«
    Der junge Kadett der Marineschule sah erbärmlich aus, nicht wie ein großer Verbrecher, sondern wie ein Schüler, der bei einem dummen Streich ertappt wurde. Er wagte niemanden anzuschauen. Er wußte weder, was er mit seinen Händen anfangen sollte, noch wohin er blicken sollte.
    Maigret machte die Lampen im Wohnzimmer an. Any kam zuletzt herein. Madame Popinga lehnte es ab, sich zu setzen, und man sah, wie ihre Knie unter ihrem Kleid zitterten.
    Zum ersten Mal war der Kommissar verlegen. Er stopfte seine Pfeife, zündete sie an, ließ sie ausgehen, setzte sich in einen Sessel, um aber gleich wieder aufz u stehen.
    »Ich habe mich in einen Fall eingemischt, der mich nichts anging!« sagte er sehr schnell. »Ein Franzose wu r de verdächtigt, und man hat mich geschickt, die Sache aufzuklären.«
    Er steckte seine Pfeife wieder an, um Zeit zum Nac h denken zu gewinnen. Er drehte sich zu Pijpekamp:
    »Beetje ist draußen, ihr Vater und Oosting ebenfalls. Man soll ihnen sagen, sie sollen entweder nach Hause gehen oder hereinkommen … Das kommt darauf an … Möchten Sie die Wahrheit erfahren?«
    Der Inspektor ging zur Tür. Ein paar Augenblicke später kam Beetje herein, bescheiden und schüchtern, dann Oosting, starrköpfig, schließlich zugleich mit Pi j pekamp Liewens, der blaß und zornig aussah.
    Dann öffnete Maigret die Tür zum Eßzimmer. Man hörte, wie er etwas in einem Schrank suchte. Als er z u rückkam, hatte er eine Flasche Kognak und ein Glas in der Hand.
    Er trank als einziger. Er war schlechtgelaunt. Alle standen um ihn herum, und er schien eingeschüchtert.
    »Wollen Sie es wissen, Pijpekamp?«
    Und übergangslos:
    »Schade, nicht wahr? … Ja, schade, wenn Ihre M e thode die richtige ist! … Wir kommen aus verschied e nen Ländern, gehören zu einer anderen Rasse. Und das Klima ist anders … Als Sie ein Familiendrama witterten, stürzten Sie sich auf die erste Aussage, die Ihnen eine Einordnung des Falls erlaubte: Verbrechen eines auslä n dischen Matrosen. Das ist vielleicht für das öffentliche Wohl vorzuziehen. Nur kein Skandal! Nur kein schlec h tes Vorbild für das Volk! Doch ich sehe immer Popinga hier vor mir, wie er das Radio anmacht und unter den Augen des Mörders tanzt …«
    Er brummte, ohne dabei jemanden anzusehen:
    »Der Revolver ist im Bad gefunden worden. Also kam der Schuß aus dem Haus. Denn es ist idiotisch zu gla u ben, daß der Täter nach der Tat die Geistesgegenwart besaß, auf ein halb offenes Fenster zu zielen und die Waffe hineinzuwerfen … Und auch noch eine Mütze in die Badewanne und einen Zigarrenstummel in das E ß zimmer zu legen!«
    Er ging auf und ab, vermied dabei immer noch, seine Gesprächspartner anzusehen. Oosting und Liewens, die ihn nicht verstanden, schauten ihn unverwandt an, um den Sinn seiner Ausführungen zu erraten.
    »Diese Mütze, dieser Zigarrenstummel und schlie ß lich die Waffe, die aus Popingas Nachttisch … das ist zuviel. Verstehen Sie! Man wollte zuviel beweisen. Man wollte die Karten zu sehr mischen. Ein Oosting oder i r gend jemand anders, der von draußen gekommen wäre, hätte vielleicht die Hälfte der Indizien hinterlassen, aber nicht alle! Also geschah es mit Vorbedacht, mit dem Vorsatz, der Strafe zu entgehen …
    Man braucht nur noch der Reihe nach auszuschalten … Der Baes kommt als erster nicht als Täter in Frage. Aus welchem Grund sollte er zuerst in das Eßzimmer gehen, dort seine Zigarre lassen, ins Zimmer hinaufgehen, einen Revolver holen und schließlich seine Mü t ze in der Badewanne liegen lassen?
    Dann scheidet Beetje aus; Beetje, die im Lauf des Abends nicht in den ersten Stock gegangen ist, also die Mütze nicht dorthin legen konnte, sie auch nicht vom Deck stehlen konnte, denn sie ging neben Popinga.
    Ihr Vater hätte ihn töten können, nachdem er sie mit ihrem Liebhaber überrascht hatte. Aber in diesem A u genblick war es zu spät, als daß er noch ins Bad hinauf hätte gehen können.
    Bleibt Barens … Er ist ebenfalls nicht hinaufgegangen. Er hat die Mütze nicht gestohlen. Er war e i fersüchtig auf seinen Lehrer,
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