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Maigret und das Verbrechen in Holland

Maigret und das Verbrechen in Holland

Titel: Maigret und das Verbrechen in Holland
Autoren: Georges Simenon
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schaftlich. Sie hat das vollkommene Verbrechen bega n gen, ein Verbrechen, das unvermeidlich einem Lan d streicher zur Last gelegt werden wird. Die Mütze … Die Zigarre … Und das einwandfreie Alibi: Sie konnte ihr Zimmer nur verlassen und ihre Tat ausführen, indem sie durch das Zimmer ihrer Schwester oder durch das des Franzosen ging.
    Während des Vortrags hat sie Hände gesehen, die sich suchten. Auf dem Weg ging Popinga neben Beetje. Sie haben getrunken und getanzt. Sie sind zusammen auf den Rädern weggefahren …
    Man mußte nur noch Madame Popinga an ihrem Fenster festhalten, den Argwohn in ihr wecken.
    Und während man sie in ihrem Zimmer glaubte, kon n te sie, schon im Unterkleid, hinter ihrem Rücken vorbei. Alles war vorbereitet. Sie gelangte ins Bad. Sie hat gescho s sen. Der Deckel der Badewanne war abgeno m men. Dort lag die Mütze drin. Sie brauchte nur noch hineinzusteigen …
    Nach dem Schuß kam Duclos herein, fand die Waffe auf dem Fensterbrett, ist hinausgestürzt und mit Mad a me Popinga, der er auf dem Flur begegnete, hinuntergelaufen. Any, schon bereit und halb ausgezogen ging ihnen nach … Wer konnte ahnen, daß sie nicht aus i h rem Zimmer kam, daß sie nicht fassungslos war, sie, deren Prüderie l e gendär war und die sich nun in diesem Aufzug zeigte!
    Kein Mitleid! Keine Gewissensbisse! Dieser Haß aus Liebe erstickt alle anderen Gefühle. Nur der Wille zu triumphieren existiert.
    Oosting, der gesehen hatte, wie seine Mütze gesto h len wurde, hat geschwiegen. Aus Respekt vor dem Toten und aus Liebe zur Ordnung. Es sollte keinen Skandal um Popingas Tod geben! Er hat Barens sogar eine Auss a ge diktiert, die glauben machen sollte, daß ein unb e kannter Matrose das Verbrechen begangen hat.
    Liewens, der sah, daß seine Tochter nach Hause kam, nachdem Popinga sie heimgebracht hatte, und der am nächsten Tag die Briefe las, glaubte an Beetjes Schuld, hat sie eingeschlossen, hat sich geweigert, die Wahrheit herauszufinden.
    Als er annahm, ich würde sie verhaften, hat er ve r sucht, sich zu töten.
    Und schließlich Barens … Barens, der alle verdächti g te, sich gegen das Geheimnis wehrte und sich selber ve r dächtigt fühlte.
    Barens, der Madame Popinga an ihrem Fenster ges e hen hatte … War nicht sie es, die geschossen hatte, nachdem sie entdeckt hatte, daß sie betrogen wurde?
    Er wurde hier wie ein eigenes Kind behandelt. Als Halbwaise hatte er in ihr eine neue Mutter gefunden.
    Er wollte sich opfern. Er wollte sie decken … Man ha t te ihn bei der Rollenverteilung vergessen. Er holte den R e volver und ging ins Badezimmer. Er wollte schi e ßen … den einzigen Menschen töten, der die Wahrheit wußte und dann sich selber töten!
    Ein armer tapferer Kerl, großmütig wie man es nur mit achtzehn ist.
    Das ist alles! … Wann fährt ein Zug nach Fran k reich?«
    Keiner redete. Alle standen starr vor Entsetzen, vor Angst, vor Furcht und Schrecken da. Schließlich sagte Jean Duclos:
    »Sie haben es ja weit gebracht!«
    Indessen ging Madame Popinga hinaus, steif wie ein Automat, und ein paar Augenblicke später fand man sie mit einem Herzanfall auf ihrem Bett.
    Any hatte sich nicht gerührt. Pijpekamp versuchte etwas aus ihr herauszubekommen:
    »Haben Sie dazu etwas zu sagen?«
    »Ich rede erst in Gegenwart des Untersuchungsric h ters.«
    Sie war ganz bleich. Tiefe Ringe zogen sich unter i h ren Augen hin.
    Nur Oosting blieb ruhig, schaute Maigret aber vo r wurfsvoll an.
    Und um fünf Uhr morgens nahm der Kommissar ganz allein den Zug auf dem kleinen Bahnhof von Del f zijl. Niemand hatte ihn begleitet. Niemand hatte ihm gedankt. Bis auf Duclos, der behauptete, er könne erst mit dem nächsten Zug fahren!
    Es wurde Tag, als der Zug über eine Brücke, einen Kanal fuhr. Schiffe warteten mit schlaffen Segeln. Ein Beamter stand bereit, um die Brücke zu drehen, sobald der Zug passiert hatte.
    Erst zwei Jahre später traf der Kommissar Beetje in Paris wieder, die einen Vertreter einer holländischen Lampenfabrik geheiratet hatte und dicker geworden war. Sie errötete, als sie ihn erkannte. Sie erzählte ihm, sie habe zwei Kinder, sei aber nicht allzu glücklich.
    »Und Any?« fragte er sie.
    »Wissen Sie das nicht? Alle Zeitungen in Holland h a ben darüber berichtet. Sie hat sich am Tag, als der Pr o zeß beginnen sollte, mit einer Gabel umgebracht, ein paar Minuten, bevor sie vor Gericht erscheinen sollte.«
    Und sie sagte noch:
    »Besuchen Sie uns doch! Avenue Victor Hugo, 28 .
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