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Maigret und das Verbrechen in Holland

Maigret und das Verbrechen in Holland

Titel: Maigret und das Verbrechen in Holland
Autoren: Georges Simenon
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aber eine Stunde vorher b e saß er noch gar keine Gewißheit.«
    Maigret schwieg, leerte seine Pfeife, indem er sie ohne Rücksicht auf den Teppich am Absatz ausklopfte.
    »Das ist ungefähr alles. Es bleibt uns die Wahl zw i schen Madame Popinga, Any und Jean Duclos. Gegen keinen der drei liegt ein Beweis vor. Aber allen dreien wäre es möglich gewesen, die Tat auszuführen. Jean D u clos kam mit dem Revolver in der Hand aus dem Bad. Man kann das als Beweis für seine Unschuld nehmen … Doch als er mit Madame Popinga aus der Stadt zurüc k kam, konnte er die Mütze nicht stehlen. Auch nicht Madame Popinga, die neben ihm ging.
    Die Mütze konnte nur von der letzten Gruppe g e stohlen werden: Barens oder Any. Und vorhin wurde bewiesen, daß Any einen Augenblick allein bei Oostings Schiff geblieben ist …
    Ich rede nicht von der Zigarre. Es genügt, sich irgen d wo zu bücken und einen alten Stummel aufzuh e ben.
    Von all denen, die am Abend des Mordes hier waren, ist Any die einzige, die ohne Zeugen oben geblieben ist und die außerdem in das Eßzimmer gehen konnte.
    Aber für den Mord hat sie das beste Alibi von allen …«
    Und Maigret, der immer noch jedem Blick auswich und seine Gesprächspartner nicht ansah, legte die von Duclos aufgestellten Pläne auf den Tisch.
    »Any kann das Bad nur über das Zimmer ihrer Schwester oder über das des Franzosen erreichen. Eine Viertelstunde vor dem Mord ist sie in ihrem Zimmer. Wie kommt sie in das Badezimmer? Woher hat sie die Gewißheit, im entscheidenden Augenblick durch eines der beiden Zimmer gehen zu können? Vergessen Sie nicht, daß sie nicht nur Jura, sondern auch Werke der Krim i nologie studiert hat. Sie hat mit Duclos darüber gespr o chen, sie haben beide von der Möglichkeit des math e matisch exakten, straflosen Verbrechens gesprochen …«
    Any stand ganz aufrecht und leichenblaß da, behielt aber trotzdem ihre Kaltblütigkeit.
    »Ich muß etwas einfügen. Ich bin der einzige hier, der Popinga nicht gekannt hat. Ich mußte mir aufgrund der Zeugenaussagen ein Bild von ihm machen: Er war ein Genießer, scheute vor jeder Verantwortung zurück und distanzierte sich von den etablierten Moralvorstellungen. Er hat Beetje in feuchtfröhlicher Laune geküßt. Sie ist seine Geliebte geworden … Vor allem, weil sie es wollte! Ich habe vorhin das Dienstmädchen gefragt; er hat sie auch geküßt, einfach so, im Vorbeigehen. Aber er ist nicht weitergegangen, weil er dazu eigentlich nicht e r muntert wurde! Anders ausgedrückt, er möchte alle Frauen haben. Er begeht kleine Unvorsichtigkeiten. Er stiehlt sich hier einen Kuß, dort eine kleine Liebkosung … Aber immer ist er auf seine Sicherheit bedacht.
    Er war Kapitän auf Überseestrecken. Er hat den Za u ber des kurzen Landurlaubs an Orten, die man nie mehr sieht, erlebt. Aber jetzt ist er Beamter Ihrer Majestät, und er hängt ebenso sehr an seiner Stellung wie an se i nem Haus, an seinem Heim, an seiner Frau.
    Das ist ein Kompromiß zwischen Begierde und Selbstkontrolle, zwischen Leichtsinn und Vernunft!
    Beetje mit ihren achtzehn Jahren hat ihn nicht ve r standen und geglaubt, er würde mit ihr weggehen. Any lebte in seinem Haus. Es ist unwichtig, daß sie nicht hübsch ist, sie ist eine Frau. Das ist das Geheimnis. E i nes Tages …«
    Die Stille um ihn herum war bedrückend.
    »Ich behaupte nicht, daß er ihr Geliebter wird. Aber daß er auch bei ihr unvorsichtig geworden ist. Sie hat es für bare Münze genommen. Sie hat sich in ihn verliebt … weniger blind verliebt als Madame Popinga.
    So haben sie alle drei zusammen gelebt. Madame P o pinga vertraute ihm. Any war verschlossener, leide n schaftlicher, eifersüchtiger, empfindlicher …
    Sie ahnte seine Beziehungen zu Beetje. Sie fühlte die Rivalin. Vielleicht hat sie die Briefe gesucht und gefu n den … Sie nahm es hin, den Mann mit der Schwester zu teilen! Nicht aber mit diesem jungen und hübschen Mädchen, mit dem er fliehen wollte.
    Sie beschloß, ihn zu töten.«
    Und Maigret schloß:
    »Das ist alles! Eine Liebe, die sich in Haß verwandelt! Eine Haßliebe! Ein kompliziertes, ungezügeltes Gefühl, das zu allem befähigt! Sie hat beschlossen, ihn zu töten. Sie hat es kalt und berechnend beschlossen. Zu töten, ohne den geringsten Verdacht auf sich zu lenken …
    Und der Professor hat an jenem Abend vom ung e straften Verbrechen, von wissenschaftlich vorgehenden Mördern gesprochen …
    Sie ist ebenso stolz auf ihre Intelligenz wie leide n
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