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Maigret und das Verbrechen in Holland

Maigret und das Verbrechen in Holland

Titel: Maigret und das Verbrechen in Holland
Autoren: Georges Simenon
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nehmen.
    Als ihm nichts mehr anderes übrigblieb, sagte der Holländer, beinahe wider Willen, auf französisch:
    »Sie sagt, es verstoße gegen das Gesetz, wenn Sie auf unserem Boden Untersuchungen anstellen.«
    »Ist das Mademoiselle Any?«
    Ein unregelmäßiges Gesicht, ein zu großer Mund mit schiefen Zähnen, ohne die sie nicht unangenehmer au s gesehen hätte als jede andere. Ein platter Busen. Große Füße. Aber vor allem die aufreizende Selbstsicherheit einer Frauenrechtlerin.
    »Ja. Nach dem Gesetz hat sie recht. Aber ich lasse ihr sagen, daß es üblich ist …«
    »Mademoiselle Any versteht Französisch, nicht wahr?«
    »Ich glaube …«
    Das Mädchen regte sich nicht, wartete mit erhob e nem Kopf, bis die beiden ihre Unterhaltung beendet hatten, die sie nichts anzugehen schien.
    »Mademoiselle«, sagte Maigret mit übertriebener Z u vorkommenheit, »ich habe das Vergnügen, mich Ihnen vorzustellen! Kommissar Maigret von der Pariser Krim i nalpolizei. Alles, was ich wissen möchte, ist, was Sie von Mademoiselle Beetje und ihren Beziehungen zu Corn e lius halten.«
    Sie versuchte zu lächeln. Zu lächeln wie jemand, der schüchtern ist und sich Gewalt antun muß. Sie sah Ma i gret an, dann ihren Landsmann, stotterte mühsam auf französisch:
    »Ich … ich … nicht gut verstehen …«
    Und diese Anstrengung genügte, daß sie bis über be i de Ohren rot wurde und hilfesuchend um sich schaute.
    3
    Der Klub der Kairatten
    E s waren ungefähr zehn Männer, in dicken blauen Wol l jacken, mit Seemannsmützen und lackierten Holzschuhen. Die einen lehnten am Stadttor, die and e ren an den Ankerpollern, wieder andere standen brei t beinig in we i ten Hosen da und sahen darin riesig aus.
    Sie rauchten, priemten, spuckten vor allem, und dann und wann lachten sie lauthals über einen Satz und klopften sich die Schenkel.
    Ein paar Meter von ihnen entfernt lagen die Schiffe vor Anker. Dahinter, die kleine vom Deich umschloss e ne Stadt. Etwas weiter weg entlud ein Kran ein Kohl e schiff.
    Zuerst bemerkten die Männer in der Gruppe Maigret nicht, der am Warf entlangspazierte. So konnte der Kommissar sie in aller Ruhe beobachten.
    Er wußte, daß man diese Leute in Delfzijl ironisch den Klub der Kairatten nannte. Auch wenn es ihm ni e mand gesagt hätte, hätte er erraten, daß die meisten di e ser Seeleute den größten Teil des Tages an dieser Stelle verbrachten, ob es regnete oder ob die Sonne schien, und in Muße miteinander schwatzten und dabei auf den Boden spuckten.
    Einem von ihnen gehörten drei Klipper, schöne Segel- und Motorboote von vierhundert Tonnen, von denen eins gerade die Ems hinunterfuhr und bald in den H a fen einlaufen würde.
    Aber es gab auch weniger großartige Gestalten: einen Kalfaterer, der sicher nicht viel Arbeit hatte, und den Aufseher einer nicht mehr befahrenen Schleuse, der die staatliche Dienstmütze trug.
    Aber mitten unter ihnen stach einer alle anderen aus, nicht nur weil er am dicksten und größten und sein G e sicht am rötesten war, sondern weil er auch eine starke Persönlichkeit zu sein schien.
    Holzschuhe. Eine Seemannsjacke. Auf dem Kopf eine ganz neue Mütze, die sich noch nicht an die Kopfform angepaßt hatte und albern aussah.
    Dieser Mann war Oosting, meistens der Baes g e nannt, und er war dabei, eine kurze Tonpfeife zu ra u chen und zuzuhören, was die neben ihm erzählten.
    Er lächelte unbestimmt. Ab und zu nahm er seine Pfeife aus dem Mund und blies langsam den Rauch aus.
    Ein kleiner Dickhäuter. Ein grober Klotz, der aber sehr sanfte Augen hatte und von dessen ganzer Person etwas zugleich Hartgesottenes und Empfindsames au s ging.
    Sein Blick war auf ein etwa fünfzehn Meter langes Schiff gerichtet, das am Kai festgemacht lag. Ein schne l les, gut geschnittenes Boot, wahrscheinlich eine ehem a lige Jacht, die aber jetzt unordentlich und schmutzig aussah.
    Das Boot gehörte ihm, und von dieser Stelle aus konnte man die zwanzig Kilometer breite Ems sehen, ein fernes Glitzern – die Nordsee – und irgendwo einen roten Sandstreifen – die Insel Workum, Oostings Reich.
    Der Abend brach herein, und die rotglühend unte r gehende Sonne ließ diese rote Backsteinstadt noch röter erstrahlen, tauchte den Mennigeanstrich eines Frachters, der repariert wurde, in flammendes Rot, das sich auf dem Wasser des Hafenbeckens widerspiegelte.
    Der Blick des Baes wanderte langsam über die Dinge und blieb an Maigret hängen. Die blaugrünen Pupillen waren ganz klein. Sie verweilten
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