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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel
Autoren: Georges Simenon
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hingegen wird reich sein … Sie ist in einem Alter, in dem man das Leben und den Reichtum zu genießen versteht …«
    Er näherte sich dem Fenster.
    »Es sei denn, daß dieses Fenster … Das ist der Haken an der Sache … Man wird nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß man von hier aus alles sehen konnte … Alles, verstehen Sie? Und das ist eine ernste Angelegenheit! Denn das könnte die Frage der Beihilfe zum Mord aufkommen lassen … Und im Gesetz gibt es nun einmal diese kleine Vorschrift, die verhindert, daß der Mörder, selbst wenn er freigesprochen würde, sein Opfer beerben kann … Und das gilt nicht nur für den Mörder selbst, sondern auch für die Tatbeteiligten … Sie sehen, warum dieses Fenster so wichtig ist …«
    Das war nicht nur Stille um ihn herum. Das war mehr, etwas Absolutes, Beunruhigendes, fast Unwirkliches: das Fehlen jeder Spur von Leben.
    Und plötzlich eine Frage:
    »Sagen Sie, Martin! Was haben Sie mit dem Revolver gemacht?«
    Etwas hatte sich im Hausflur bewegt. Offenbar die alte Mathilde mit ihrem Mondgesicht, ihrem schlaffen Bauch unter der karierten Schürze.
    Die schrille Stimme der Concierge im Hof:
    »Madame Martin! Ein Paket von Dufayel!«
    Maigret setzte sich in einen Lehnsessel, der schwankte, aber nicht sofort zusammenbrach.
    11
    Die Zeichnung an der Wand
    A
    ntworten Sie! … Dieser Revolver …«
    Er folgte dem Blick Martins und bemerkte, daß Madame Martin, die immer noch zur Decke starrte, mit den Fingern an der Wand entlangstrich.
    Der arme Martin strengte sich verzweifelt an, zu verstehen, was sie ihm sagen wollte. Er wurde ungeduldig. Er sah, daß Maigret wartete.
    »Ich …«
    Was konnte dieses Viereck bedeuten, oder dieses Trapez, das sie mit ihrem mageren Finger andeutete?
    »Nun?«
    In diesem Augenblick tat er Maigret wirklich leid. Diese Minute mußte schrecklich für ihn sein. Martin zuckte vor Ungeduld.
    »Ich habe ihn in die Seine geworfen!«
    Damit waren die Würfel gefallen! Während der Kommissar den Revolver aus der Tasche zog und ihn auf den Tisch legte, richtete Madame Martin sich in ihrem Bett auf, mit dem Gesicht einer Furie.
    »Nun, ich habe ihn im Müllkasten wiedergefunden …« sagte Maigret.
    Und die zischende Stimme der fiebernden Frau:
    »Da! Begreifst du jetzt? Bist du nun zufrieden? Du hast die Gelegenheit verpatzt, wieder einmal, so wie du immer alles verpatzt hast! Als ob du es absichtlich getan hättest, aus Angst, ins Gefängnis zu gehen … Aber du wirst dennoch hingehen! Denn der Diebstahl, das warst du! Die dreihundertsechzig Scheine, die Monsieur in die Seine geworfen hat …«
    Sie war furchterregend. Man merkte, daß sie sich zu lange zurückgehalten hatte. Die Reaktion war brutal. Sie war so erregt, daß manchmal mehrere Worte gleichzeitig über ihre Lippen kommen wollten und die Silben sich verhedderten …
    Martin senkte den Kopf. Seine Rolle war ausgespielt. Und die Vorwürfe seiner Frau trafen zu: Er hatte kläglich versagt.
    »Monsieur versucht sich als Dieb, aber seinen Handschuh läßt er auf dem Tisch liegen …«
    Aller Haß und Jammer Madame Martins brach nun verstümmelt und ungeordnet heraus.
    Maigret hörte hinter sich die unterwürfige Stimme des Mannes mit dem hellgrauen Mantel.
    »Seit Monaten zeigte sie mir vom Fenster aus das Büro und Couchet, der die Angewohnheit hatte, zu den Toiletten zu gehen … Sie warf mir vor, für ihr ganzes Unglück verantwortlich zu sein und eine Frau nicht ernähren zu können … Also ging ich hin …«
    »Haben Sie ihr gesagt, daß Sie hingingen?«
    »Nein! Aber sie wußte es genau. Sie stand am Fenster …«
    »Und von dort aus haben Sie den Handschuh gesehen, den Ihr Mann vergessen hatte, nicht wahr, Madame Martin?«
    »Als wenn er seine Visitenkarte dagelassen hätte! Man könnte meinen, er hätte es absichtlich getan, um mich zur Raserei zu bringen …«
    »Sie haben Ihren Revolver genommen und sind hinuntergegangen … Couchet kam in dem Moment zurück, als Sie gerade in seinem Büro waren … Er glaubte, Sie hätten das Geld gestohlen …«
    »Er wollte mich festnehmen lassen, jawohl! Als ob er es nicht mir zu verdanken hätte, daß er reich geworden ist! Wer hat sich denn um ihn gekümmert, im Anfang, als er nicht einmal das Salz in der Suppe verdiente? Und die Männer sind alle gleich! Er machte mir sogar zum Vorwurf, daß ich im gleichen Haus wohnte, in dem er seine Büros hatte … Und er beschuldigte mich, das Geld mit meinem Sohn zu teilen, das er ihm gab
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