Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Maigret.
    »Nie!«
    »Und Ihre Schwester verläßt dieses Zimmer nicht?«
    »Manchmal läuft sie davon, ins Treppenhaus …«
    Ein entmutigendes Grau in Grau. Ein Geruch nach unsauberer Armut, der Geruch des Alters, vielleicht schon ein Geruch des Todes?
    »Sie müssen wissen, daß es immer die Frau ist, die damit anfängt!«
    Maigret brachte kaum die Kraft auf, ihr Fragen zu stellen. Er blickte sie vage an. Er hörte zu.
    »Natürlich immer nur wegen des Geldes! Nicht etwa, daß andere Frauen im Spiel gewesen wären … Obwohl sie ihn einmal, als sie das Geld zusammenzählte, im Verdacht hatte, in eines von diesen Häusern gegangen zu sein … Sie hat ihn nach Strich und Faden fertiggemacht!«
    »Schlägt sie ihn?«
    Maigret sagte das ohne Ironie. Diese Vermutung war ebensowenig absurd wie jede andere. Er tappte durch so viel Unwahrscheinliches, daß ihn nichts mehr in Erstaunen hätte versetzen können.
    »Ich weiß nicht, ob sie ihn schlägt, aber sie zerschmeißt jedenfalls Teller … Und dann heult sie und sagt, daß sie niemals einen anständigen Haushalt haben würde …«
    »Mit anderen Worten, es gibt fast täglich Szenen?«
    »Keine großen Szenen. Aber Vorwürfe. Zwei oder drei größere Szenen in der Woche …«
    »Da haben Sie ja viel zu tun!«
    Sie war sich nicht sicher, richtig verstanden zu haben, und blickte Maigret mit einem Anflug von Mißtrauen an.
    »Welche Vorwürfe macht sie ihm am häufigsten?«
    ›»Wenn man eine Frau nicht ernähren kann, heiratet man nicht!‹
    ›Man betrügt seine Frau nicht, indem man sie in dem Glauben läßt, man bekäme eine Gehaltserhöhung, und dann stimmt es nicht …‹
    ›Man nimmt nicht einfach einem Mann wie Couchet, der Millionen verdienen kann, die Frau weg …‹
    ›Die Beamten sind Memmen … Ein Mann muß auf eigene Rechnung arbeiten, Risiken eingehen und Initiativen entwickeln, wenn er es zu etwas bringen will …‹«
    Armer Martin, mit seinen Handschuhen, seinem hellgrauen Mantel, seinem mit Wachs geglätteten Schnurrbart! Maigret konnte sich alle die Litaneien vorstellen, die man ihm an den Kopf warf, mal als feinen Regen, mal als Wolkenbruch.
    Dabei hatte er getan, was er konnte! Vor ihm war Couchet es gewesen, der sich die gleichen Vorwürfe hatte anhören müssen. Sicher hatte sie zu Couchet gesagt:
    »Sieh dir Monsieur Martin an! Das ist ein intelligenter Mann! Der denkt daran, daß er vielleicht einmal eine Frau haben wird! Und die bekommt eine Pension, wenn ihm etwas zustößt! Während du …«
    Das Ganze wirkte wie ein böser Mummenschanz. Madame Martin hatte sich selbst betrogen, war betrogen worden, betrog alle Welt!
    Ein furchtbarer Irrtum lag all dem zugrunde!
    Die Tochter des Konditors aus Meaux wollte Geld! Soviel stand fest. Es mußte unbedingt Geld her! Sie spürte das! Sie war dazu geboren, Geld zu haben, und folglich hatte ihr Mann es zu verdienen!
    Couchet verdiente nicht genug? Und sie würde nicht einmal eine Pension bekommen, wenn er stürbe?
    Na gut, dann heiratete sie eben Martin!
    Nur war es Couchet, der dann Millionär wurde, aber zu spät! Und es war nicht möglich, Martin auf Trab zu bringen, ihn zu veranlassen, die Registerbehörde zu verlassen und ebenfalls Arzneimittel zu verkaufen oder sonst etwas Einträgliches!
    Sie war unglücklich. Sie war immer unglücklich gewesen. Das Leben machte sich einen Spaß daraus, sie ganz gemein zu betrügen!
    Die Augen der alten Mathilde waren auf Maigret gerichtet, graugrün wie Quallen.
    »Kam ihr Sohn sie besuchen?«
    »Manchmal.«
    »Machte sie ihm auch Szenen?«
    Es war, als hätte die Alte seit Jahren auf diese Stunde gewartet!
    Sie hatte keine Eile! Sie nahm sich Zeit!
    »Sie gab ihm immer Ratschläge:
    ›Dein Vater ist reich! Er sollte sich schämen, daß er dir keine bessere Stelle verschafft! Du hast nicht mal ein Auto … Und weißt du, warum? Wegen dieser Frau, die ihn seines Geldes wegen geheiratet hat! Denn nur deshalb hat sie ihn geheiratet!‹
    ›Wer weiß, was sie dir später noch alles in den Weg legen wird … Wirst du überhaupt irgend etwas von dem Vermögen zu sehen bekommen, das dir zusteht?‹
    ›Deshalb solltest du ihm jetzt das Geld aus der Nase ziehen und es zur Seite legen, an einem sicheren Ort …‹
    ›Ich hebe es dir auf, wenn du willst … Sag! Soll ich es dir aufheben?‹«
    Und Maigret, der den schmutzigen Fußboden betrachtete, dachte angestrengt nach.
    Er glaubte, in diesem Durcheinander der Emotionen ein beherrschendes Gefühl zu erkennen, das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher