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Maigret bei den Flamen

Maigret bei den Flamen

Titel: Maigret bei den Flamen
Autoren: Georges Simenon
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Gesellschaften we i gern sich, es zu versichern. Es hat eine Menge Weibergeschichten und Affären mit jungen Mädchen gegeben. Aber warum wollen Sie …?«
    Die beiden Männer gingen erneut in die Richtung der Brücke und gelangten bald in den Lichtschein der Stadt. Zur Rechten sahen sie Bistros, französische Bistros, in denen mechanische Klaviere hämmerten.
    »Ich lasse ihn überwachen. Aber das ändert nichts an der Zeugenaussage über das Motorrad …«
    »In welchem Hotel wohnen Sie?«
    »Im Hôtel de la Gare.«
    Maigret reichte ihm die Hand.
    »Wir sehen uns noch, mein Lieber … Die Untersuchung leiten natürlich Sie. Ich bin nur als Amateur hier.«
    »Und was soll ich tun? Wenn man die Leiche nicht findet, gibt es keinerlei Beweis. Und wenn sie ins Wasser geworfen wurde, wird man sie niemals wiederfinden …«
    Sie hatten die Brücke erreicht. Maigret drückte ihm zerstreut noch einmal die Hand und verschwand im Hôtel de la Meuse.
     
     
    Während des Abendessens notierte Maigret in sein Heft:
     
    Meinungen über die Peeters
    Machère: Sie halten sich nicht für Schankwirte.
    Der Hotelier: Diese Leute meinen, sie wären etwas Besseres. Habe ich etwa vor, meinen Sohn Anwalt werden zu lassen?
    Ein Schiffer: In Flandern sind sie alle so!
    Ein anderer: Sie halten zusammen wie die Freimaurer!
     
     
    Und es war seltsam, von der Stadt, das heißt von der Brücke aus, die den Mittelpunkt Givets bildete, zum Haus der Flamen hinüber zuschauen. Man war in einer französ i schen Stadt mit ihren engen Straßen und ihren Cafés vo l ler Billard- und Dominospieler. Der Geruch von Anislikör und eine Atmosphäre allgemeiner Vertraulic h keit.
    Dann der Fluß. Das Zollgebäude. Schließlich ganz am Ende, dort, wo das freie Feld begann, das Haus der Flamen: der mit Waren vollgestopfte Lebensmittelladen; der kleine Schanktisch für die Genevertrinker; die Küche und der senile Alte in seinem Korbsessel direkt neben dem Ofen; das Eßzimmer und das Klavier, die Ge i ge, die schweren Sessel, die selbstgemachte Torte, Anna und Marguerite, das karierte Tischtuch, Joseph, lang, mager und kränklich, der mit dem Motorrad heimkam und von allen bewundert wurde!
    Das Hôtel de la Meuse war ein Hotel für Handelsreisende. Der Besitzer kannte sie alle. Jeder hatte eine Se r viettentasche mit seinem Namen.
    Gegen neun Uhr kam Joseph Peeters zögernd wie ein Fremder herein, eilte auf den Kommissar zu und stamme l te:
    »Es gibt etwas Neues!«
    Aber alle Leute sahen von ihren Tischen auf, und Maigret zog es vor, den jungen Mann auf sein Zimmer zu bitten.
    »Was gibt es denn?«
    »Sie wissen doch von der Annonce? Ein Motorradfahrer hat sich darauf gemeldet. Ein Tankwart aus Dinant, der an jenem Abend gegen halb neun an unserem Haus vorbeigefahren ist.«
    Maigret war noch nicht dazugekommen, seine Reisetasche auszupacken. Er saß auf dem Bettrand und übe r ließ seinem Besucher den einzigen Sessel.
    »Lieben Sie Marguerite wirklich?«
    »Ja. Das heißt …«
    »Das heißt?«
    »Sie ist meine Kusine. Ich wollte sie zur Frau nehmen … Das war seit langem beschlossene Sache …«
    »Was Sie aber nicht gehindert hat, Germaine Piedbœuf ein Kind zu machen!«
    Schweigen. Dann, kaum wahrnehmbar gestammelt, ein schwaches:
    »Ja …«
    »Liebten Sie sie?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hätten Sie sie geheiratet?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Er saß im Lichtkegel der Lampe, und Maigret betrachtete sein hageres Gesicht, seine müden Augen, seine kraftlosen Züge. Joseph Peeters wagte nicht, seinen Blick zu erwidern.
    »Wie ist es dazu gekommen?«
    »Wir trafen uns regelmäßig, Germaine und ich.«
    »Und Marguerite?«
    »Das war etwas anderes …«
    »Und dann?«
    »Dann hat sie mir gesagt, daß sie ein Kind erwartete. Ich wußte nicht mehr …«
    »Und Ihre Mutter war es, die …«
    »Meine Mutter und meine Schwestern … Sie haben mir bewiesen, daß ich nicht der erste war, und daß Germaine vorher schon …«
    »… Liebhaber hatte?«
    Das Fenster ging auf den Fluß hinaus , genau auf die Stelle, wo sich die Strömung mit unablässigem Tosen an den Pfeilern der Brücke brach.
    »Lieben Sie Marguerite?«
    Der junge Mann erhob sich unruhig und verlegen.
    »Was meinen Sie?«
    »Lieben Sie Marguerite oder Germaine?«
    »Ich … Das heißt …«
    Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn.
    »Wie soll ich das wissen? Meine Mutter hatte für mich schon eine Anwaltskanzlei in Reims an der Hand …«
    »Für Sie und Marguerite?«
    »Ich weiß es nicht.
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