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Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Titel: Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen
Autoren: Georges Simenon
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silberne Dienstmarke, genauer gesagt, aus versilberter Bronze, denn schon nach kurzer Zeit schimmert unter der dünnen Silberschicht der rötlichbraune Untergrund hindurch.
    Auf der einen Seite prangt die Marianne mit der phrygischen Mütze, darüber erscheinen die Buchstaben R.F., und darunter ist das mit rotem Emaille umrandete Wort Police zu lesen.
    Auf der Rückseite sind das Pariser Wappen, eine Zahl und der Name des Trägers in winzigen Buchstaben eingraviert.
    Maigrets Dienstmarke hatte die Nummer0004. Die Nummer 1 war dem Präfekten vorbehalten, die 2 dem Direktor der Kriminalpolizei und die Nummer 3 aus unerfindlichen Gründen dem Chef des Nachrichtendienstes.
    Alle hätten sich am liebsten über die Vorschrift hinweggesetzt und die Dienstmarke zu Hause gelassen, zumal die Vorschrift im Falle eines Verlustes vorsah, dass ein Monatsgehalt einbehalten wurde.
    »Haben Sie den Dieb gesehen?«
    »Sehr genau sogar. Ein schmächtiger, müder junger Kerl, hohläugig und blass wie einer, der sich die Nacht um die Ohren geschlagen hat.«
    »Haben Sie ihn nicht wiedererkannt?«
    Bevor Maigret zum Polizeikommissar ernannt wurde, kannte er nicht nur alle Pariser Taschendiebe, sondern auch diejenigen, die anlässlich von Messen oder großen Kundgebungen aus Spanien oder London angereist kamen.
    Taschendiebstahl ist ein besonderes, hierarchisch gegliedertes Spezialgebiet. Die wirklichen Könner treten nur dann in Aktion, wenn es sich lohnt, sie überqueren sogar den Atlantik, um sich auf einer Weltausstellung oder während der Olympischen Spiele zu betätigen.
    Maigret hatte sie ein wenig aus den Augen verloren. Er kramte in seinen Erinnerungen. Allzu ernst nahm er den Vorfall immer noch nicht. Noch immer wirkte sich dieser duftige Frühlingsmorgen auf seinen Gemütszustand aus, und paradoxerweise richtete sich sein ganzer Ärger gegen die Frau mit dem Einkaufsnetz.
    »Wenn sie mich nicht andauernd angerempelt hätte … Frauen sollten überhaupt keinen Zutritt zur Plattform haben … Wenn sie wenigstens noch geraucht hätte …«
    Er war mehr in seiner Ehre gekränkt als wirklich böse.
    »Wollen Sie nicht im Archiv nachsehen?«
    »Genau das habe ich vor.«
    Fast eine Stunde lang studierte er die Fotos, die einen Großteil der bekannten Taschendiebe von vorn und im Profil zeigten. Manche von ihnen hatte er vor fünfundzwanzig Jahren festgenommen. In der Folge waren sie zehn- oder gar fünfzehnmal in seinem Büro erschienen, so dass er sie beinahe als Kumpel ansah.
    ›Da bist du ja schon wieder!‹
    ›Von irgendwas muss man schließlich leben … Und Sie sind doch auch noch auf Ihrem Posten, Chef. Jetzt kennen wir uns schon ganz schön lang, was?‹
    Die einen waren gut gekleidet, andere wiederum waren arme Schlucker und gingen nur auf dem Trödelmarkt, in Saint-Ouen oder in den Gängen der Metro ihrem Handwerk nach. Keiner glich dem jungen Mann vom Bus, und Maigret wusste von vornherein, dass seine Nachforschungen nichts ergeben würden.
    Ein Profi-Taschendieb sieht nicht so müde und verschreckt aus. Er macht sich nur dann an die Arbeit, wenn er sicher ist, dass seine Hände nicht zittern. Außerdem kannten sie alle Maigrets Gesicht, wenn auch nur aus der Zeitung.
    Er ging wieder nach unten in sein Büro. Als er Janvier wieder traf, zuckte er nur die Achseln.
    »Sie haben ihn wohl nicht gefunden?«
    »Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass er ein Amateur ist. Ich frage mich sogar, ob er eine Minute vor dem Diebstahl wusste, dass er gleich meine Brieftasche an sich nehmen würde. Andauernd sagt mir meine Frau, ich soll sie nicht in diese Tasche stecken. Bei dem letzten starken Ruck, als die verflixten Kartoffeln mich beinahe umgeworfen hätten, ist er überhaupt erst auf die Idee gekommen …«
    Er sprach in verändertem Ton weiter.
    »Was gibt’s hier Neues?«
    »Lucas hat die Grippe. Der Senegalese ist in einem Bistro an der Porte d’Italie umgebracht worden …«
    »Mit einem Messer?«
    »Natürlich. Keiner kann den Täter beschreiben. Dieser kam gegen ein Uhr morgens, als der Wirt gerade schließen wollte, ins Lokal. Er ging schnurstracks auf den Senegalesen los, der gerade sein Glas leeren wollte, und stach so schnell zu, dass …«
    Das war nichts Neues. Irgendjemand würde ihn anzeigen, vielleicht schon in einem Monat, vielleicht erst in zwei Jahren.
    Maigret ging in das Büro des Leiters der Kriminalpolizei, wo die tägliche Besprechung abgehalten wurde, und er vermied es geflissentlich, den Vorfall im Bus
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