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Maienfrost

Maienfrost

Titel: Maienfrost
Autoren: Maren Schwarz
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schließen, dass er sich schmerzlich seiner Vergangenheit erinnerte. Die dabei zutage geförderte Verwundung gärte dicht unter der Oberfläche.
    Der Kommissar ermutigte ihn, sich ihm anzuvertrauen. Doch Carmens Mann war nicht gewillt sein Schweigen zu brechen. Als Henning sah, dass er so nicht weiterkam, beschloss er ihn mit seinen bisherigen Erkenntnissen zu konfrontieren. Das Pascal Austen selbst dann noch keinen Einspruch geltend machte, als er ihm unterstellte, seine Frau und den Geistlichen umgebracht zu haben, ließ ihn von der Richtigkeit seiner Annahme ausgehen. »Wir wissen inzwischen«, fuhr er fort, »dass eine Kaliumchloridinjektion für den Tod der beiden verantwortlich war. Berichtigen Sie mich, wenn ich mich täusche, aber aufgrund der Tatsache, dass Ihr Vater Apotheker ist, schlussfolgere ich, dass es seine Idee war, die beiden auf diese Weise aus dem Weg zu schaffen. Anscheinend hielt er sich für besonders clever. Immerhin hat er damit schon einmal einen Menschen ins Jenseits befördert, ohne dass ihm seine Tat nachgewiesen werden konnte. Ich nehme an, Sie wissen, von wem ich spreche …«
    Pascal Austens Kopf schnellte in die Höhe. »Lassen Sie meine Mutter aus dem Spiel!«, verlangte er.
    Seine Reaktion zeigte Henning, dass er ihn an einer verletzbaren Stelle getroffen hatte.
    »Wenn Ihnen Ihre Mutter so heilig war, wie Sie es mich jetzt glauben lassen wollen, dann würde es mich interessieren, weshalb Sie stillschweigend tolerierten was er ihr antat«, erkundigte er sich stattdessen. »Das war schließlich Mord! Ihr Verhalten lässt mich davon ausgehen, dass Sie Bescheid wussten, weshalb also …«
    »Weshalb, weshalb«, fiel ihm Pascal Austen ins Wort. »Sie glauben zu wissen. Aber in Wirklichkeit haben Sie nicht die geringste Ahnung! Oder waren Sie auch dazu verdammt, sich mit acht Jahren als unfreiwilliger Zeuge tatenlos den Tod der eigenen Mutter ansehen zu müssen?«, sprudelte es, nun da der Damm gebrochen war, aus ihm heraus.
    »Sie waren dabei?« Henning konnte kaum glauben, was er da zu hören bekam.
    »Ja!«
    »Und Ihr Vater, ich meine …, hat er gewusst?«
    Sein in die Ferne gerichteter Blick ließ ihn traurig und verwundbar erscheinen. Dem Kommissar kam es so vor, als wäre er wieder der Junge von acht Jahren.
    »Sie wollen wissen, ob er wusste, dass ich es weiß?« Henning schluckte. Ein Zittern unterdrückend, nickte er.
    Während Pascal Austen sich an jene Nacht zurückerinnerte, die sein Leben von Grund auf ändern sollte, huschte ein Schatten über sein Gesicht. »Ein Gewitter war im Anmarsch«, begann er. »Es blitzte und donnerte. Verängstigt lag ich in meinem Bett und sehnte mich nach Mutter. Ihre Gegenwart ließ mich all meine Sorgen und Nöte vergessen. Vergessen, das kleine Jungen stark sein mussten und sich vor nichts zu fürchten hatten. Ich jedoch war weder stark noch mutig. Mutter war die Einzige, die das verstand. Für sie war es kein Zeichen von Schwäche, wenn ich weinte, weil ich mir das Knie beim Spielen aufgeschürft hatte …«
    Sein Blick verlor sich im Nichts. »Ich habe meine Mutter geliebt«, hörte Henning ihn mit kaum vernehmbarer Stimme sagen in der eine tiefe Traurigkeit mitschwang. Stille breitete sich aus. Es dauerte eine Weile, bis Pascal Austen sich in der Lage fühlte, seinen Bericht fortzusetzen. »Meine Eltern verfügten über getrennte Schlafzimmer. Vater hatte mir strengstens untersagt, bei Mutter zu übernachten. Deshalb musste ich mich heimlich zu ihr stehlen, wenn ich, wie in dieser Nacht, wieder einmal nicht einschlafen konnte. Als ich an jenem Abend zu ihr schlich, konnte ich sie tief und gleichmäßig atmen hören. Sie schlief. Ich legte mich zu ihr. Von ihrer Wärme und Nähe getröstet, war ich kurz davor einzuschlafen, als sich vom Gang her Schritte näherten. Aus Angst, entdeckt zu werden, versteckte ich mich unterm Bett. Kaum lag ich dort, ging die Türe auf und mein Vater betrat das Zimmer. Aufgrund des vom Gang hereinfallenden Lichts konnte ich in Mutters bis zum Boden reichenden Ankleidespiegel beobachten, wie er sich ihrem Bett näherte. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sie schlief, holte er eine Spritze aus der Tasche seines Morgenmantels hervor. Dank des Spiegels konnte ich ihn die Kappe entfernen sehen und erkennen, wie er sich über Mutter beugte. Kurz darauf verließ er das Zimmer wieder. Vor Erleichterung, dass er mich nicht entdeckt hatte, war mir ganz schwindlig. Vorsichtshalber ließ ich etwas Zeit
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