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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Autoren: Lena Klassen
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noch dunkler zu werden schienen, kündeten von einem Schmerz, der unvorstellbar war. Von allen Seiten griff das Licht nach ihm mit züngelnden Flammen, Schlingpflanzen aus der Tiefe streckten sich glühend nach ihm aus. Mattim beobachtete, wie sein Bruder von ihm fort sank, dem Grund zu, die Arme haltsuchend ausgestreckt, und verstand nur das eine: Rékas Blut schützte Kunun nicht mehr.
    Demnach würde auch sein Schutz in wenigen Augenblicken aufgebraucht sein, und das Licht würde ihn verzehren und verschlingen, so wie der Schein einer Lampe, angezündet in einem finsteren Zimmer, die Dunkelheit verschlang. Nur noch wenige Augenblicke … und dennoch konnte er
nicht nach oben schwimmen, obwohl er eben noch um nichts anderes gekämpft hatte. Mit raschen Schwimmstößen setzte er Kunun nach, tiefer hinab ins hellere Licht, bekam die Hand seines Bruders zu packen und zog ihn mit nach oben.

VIERZIG
    FLUSS DONUA, MAGYRIA
    Mattim zerteilte die Fluten mit einigen kräftigen Bewegungen, bis er durch die Oberfläche brach. Überall um ihn her schwammen Eisbrocken. Er packte Kunun am Kragen und hielt aufs Ufer zu, an dem zwei Gestalten riefen und winkten. Unendlich weit weg schienen sie ihm. Auf einmal war Bela an seiner Seite, und der Prinz krallte sich in das dichte, nasse Fell.
    »Schneller«, flüsterte er, »ich schaffe es nicht mehr rechtzeitig.«
    Der große Wolf hielt zielstrebig auf das rettende Ufer zu und zog sie beide durch das eisige Wasser. Mattim wankte vorwärts, als seine Füße endlich Halt fanden, seine Hand unablösbar in Kununs Mantel gekrallt. Schließlich fiel er in den Schnee und blickte hoch in Hannas Gesicht wie zu einem Stern, der am Himmel über ihm strahlte.
    »Mattim«, sagte sie, »Mattim. Mattim!« Dann küsste sie ihn auf die weiße Stirn. Er sah in ihren Augen, was sie fühlte, was sie nicht aussprechen konnte.
    »Kunun!«, schrie Réka. »Was ist mit ihm?« Sie beugte sich über den Vampir, der reglos dalag wie ein ertrunkener Gott, und auf einmal legte er die Arme um sie und zog sie eng an sich heran.
    »Lass sie!«, rief Hanna. »Oh Gott, nicht schon wieder! Lass sie!«
    Mattim richtete sich mühsam auf und fasste sie am Arm. »Warte. Gib ihm einen Moment, nur einen Moment … nur noch dieses eine Mal, um sein Leben zu retten. Das
Licht kann ihn immer noch töten … Jetzt reicht es. Komm, Réka.« Der Prinz zog das Mädchen hoch und lächelte, erstaunt und erfreut. »Es ist wie ein Wunder, dich hier stehen zu sehen.« Doch dann schob sich eine finstere Wolke über sein Gesicht.
    »Was tut ihr hier, Hanna? Ihr solltet längst in der Höhle sein! Beim Licht, mein Vater ist dort und schließt die Pforte! Ihr könnt nie mehr zurück!«
    »Vielleicht hat er es noch nicht geschafft?«, fragte Hanna.
    »Schnell! Kommt!« Mattim ergriff ihre Hand. »Réka, los jetzt!«
    Mit Gewalt musste er sie von Kunun wegreißen, aber sobald sie in einen gleichmäßigen Schritt gefunden hatten, sah sie verträumt nach vorne und folgte ihnen wie eine Schlafwandlerin. Die drei hasteten durch den Wald.
    Still war es hier, merkwürdig still. Keine Wölfe heulten. Nur ihre Schritte und der keuchende Atem der Mädchen. Keiner sprach. Nicht einmal Réka fragte, wo sie waren und warum sie laufen mussten, gehorsam hielt sie mit ihren Begleitern mit. Schließlich erreichten sie die Höhle, wo ihnen König Farank entgegenkam.
    »Beim Licht«, sagte er nach einem Blick auf die zerrissenen, steif gefrorenen Kleider seines Sohnes, auf die mit weißen Eiskristallen überzogenen Haare. »Mattim, du wirst erfrieren!« Der Monarch nahm seinen Mantel ab und legte ihn dem Jungen um.
    »Hast du die Pforte geschlossen?«, fragte Mattim bang.
    »Ich konnte es nicht«, antwortete der König. Er klang erschöpft und traurig. »Mir ist, als hätte ich all meine Kraft am Fluss gelassen.«
    Hanna hob den Kopf. »Habt ihr das gehört? Stimmen. Die Schatten kommen schon! Wir müssen die Pforte schließen! Oder sind vor uns schon andere Schatten hier eingetroffen? Sind wir etwa zu spät?«
    »Eine Frau ist hindurchgegangen«, sagte der König leise.
»Eine Frau mit rotem Haar. Sie hat mich nicht bemerkt. Nur diese eine Frau.«
    »Atschorek«, flüsterte Mattim.
    »Ich habe auf dich gewartet«, sagte Farank. »Wir müssen die Pforte gemeinsam schließen, Mattim. Gemeinsam wird unser Licht stark genug sein.«
    »Nein, Vater.« Mattim schüttelte den Kopf. »Ahnst du es nicht längst? Ich habe kein Licht mehr. Ich bin ein Schatten.«
    »Das
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