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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Autoren: Lena Klassen
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sah, dass das Gesicht des Königs im Lichtschein glänzte. Wie ein Blitz fuhr das Licht durch das Eis, eine Linie aus Feuer, von einem Krachen begleitet, laut wie Donnerschläge. Im Zickzack spaltete es die Eisschicht, und mit dem Licht, das aus der Tiefe emporstrahlte, kam das Wasser.
    Einer der Schatten schrie auf, laut und gellend.
    »Wir können es schaffen!«, brüllte Kunun. »Weiter! Los, kommt! Das Blut schützt uns! Fürchtet euch nicht, geht weiter! Die Mädchen haben sich geopfert! Geht schon weiter!«
    Aber die Schatten wichen zurück, fort von dem Wasser, das ihre Füße umspülte, das rasch höher stieg. Sie kreischten, als würden sie verbrannt.

    Mattim wich ebenfalls aus, als das Wasser ihn erreichte. Er spürte die Hand des Königs an seinem Arm.
    »Wir müssen zurück, schnell, bevor hier alles auseinanderbricht!«
    »Nein!« Der Junge umklammerte seinen Vater. »Nein, bitte, hör mir zu. Du musst auf die andere Seite, Vater. Du musst die Höhle erreichen, bevor die Schatten es tun. Dort musst du die Pforte schließen. Vertrau mir ein letztes Mal, bitte! Und jetzt komm!« Er zog den König einige Meter nach hinten, um besser Anlauf nehmen zu können. »Jetzt!«
    Sie ließen einander los. Einen Moment lang hatte Mattim Angst, sein Vater könnte sich entscheiden, in die Sicherheit der Stadt zurückzukehren. Aber Farank folgte ihm auch diesmal. Seite an Seite hielten sie auf den Spalt zu und sprangen. Der Junge ging in die Knie, als er aufkam. Das Wasser loderte strahlend um ihn herum auf. Er hatte gewusst, was es bedeutete, mit dem König zusammen aufs Eis zu gehen. Er hatte gewusst, wozu das Licht in der Lage war. Nun streckte es seine nassen Finger nach ihm aus, und kalte Flammen leckten an seinen Beinen.
    »Lauf, Vater!«, rief er dem König zu. »Zur Höhle! Ich habe die Stelle markiert, du wirst einen dunklen Händeabdruck auf dem Felsen finden. Dein Licht sollte ausreichen, um es zu erkennen. Leg beide Hände auf das Gestein. Dann wird der Durchgang sich schließen, so wie sich hier das Eis geöffnet hat. Warte nicht auf mich, ich komme nach, so schnell ich kann. Lauf! Bevor sich die Schatten in die andere Welt zurückretten können! Bitte, Vater, beeil dich!«
    Der König zögerte nur kurz. Das Wasser reichte ihnen bereits bis zu den Knien. Dann nickte er und verschwand in der Dunkelheit.
    Mattim kämpfte sich vorwärts. Im Licht, das immer strahlender unter dem Eis hervorbrach, sah er die Schatten
zurück ans jenseitige Ufer laufen. Einige waren bereits vom Wasser eingeholt worden und schrien erneut, als stünden sie in Flammen. Der König rannte mit wehendem Mantel, und Mattim dachte nur: Dreh dich nicht um. Du darfst nicht sehen, was mit mir geschieht. Dreh dich bitte nicht um …
    Wieder krachte es, und ganze Eisschollen brachen auseinander. Das warme Leuchten des Wassers erhellte die Dämmerung. Der Prinz fühlte den Boden unter seinen Füßen schwanken, dann merkte er nur noch, wie er nach hinten rutschte.
     
    Réka rührte sich nicht von der Stelle.
    Hanna packte das Mädchen bei den Schultern und schüttelte es. »Komm zu dir! Komm endlich zu dir! Wir müssen zurück zum Fluss. Sie haben Mattim, und wenn die Kraft des Blutes nicht genügt, dann wird sie ihm auch nicht genügen … Réka!«
    »Dies ist ein Traum«, flüsterte die junge Ungarin und starrte auf die beiden Wölfe, die nach wie vor bei ihnen waren. Auf Wilder, der immer wieder versuchte, sich an ihre Beine zu schmiegen. »Nur ein Traum.«
    »Hör auf!« Hanna versetzte Réka eine schallende Ohrfeige, um sie zu sich zu bringen. »Für so etwas haben wir keine Zeit. Ich werde dich nicht alleine hier im Wald lassen. Komm endlich!«
    »Was ist das?«, fragte das Mädchen.
    Hanna hatte noch nie die Hörner von Akink gehört, den klagenden, alarmierenden, aufwühlenden Ruf, der weithin über das Land schallte, aber sie fühlte, wie ihr Herz noch schneller schlug. Gefahr, Gefahr! Es war unmöglich, diesen Ton nicht zu verstehen, ihm nicht zu folgen.
    Bela warf ihr einen wilden Blick zu und verschwand dann mit langen Sprüngen in der Dunkelheit. Wilder dagegen blieb an ihrer Seite. Mit kreideweißem Gesicht wich Réka vor ihm zurück.

    »Das ist nicht gerade hilfreich!«, fauchte Hanna ihn an. »Verschwinde endlich!«
    Dort war schon der Fluss. Es hatte aufgehört zu schneien, und sie blickte über ein weißes Band hinweg, welches das diesseitige Ufer von der Stadt auf der anderen Seite trennte. Glitzernde Lichtpünktchen tanzten
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