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Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert

Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert

Titel: Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert
Autoren: Katja Henkel
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Ernst?«, rief Suse von ihrem Dach. »Drehst du jetzt völlig durch? Du bist doch nicht wirklich so verrückt, uns hinterherzuspionieren und…« Sie brach ab.
    »Sie… darf… nicht… springen!«, presste ich hervor, drückte die Hände in die Seiten und beugte mich vornüber.
    Bevor Suse etwas sagen konnte, hörte ich links von mir ein Knacken, und als ich den Kopf herumriss, sah ich, wie Marli von Ast zu Ast schnellte wie ein Affe. Sie landete auf dem Boden, rollte sich über eine Schulter ab, sprang wieder auf und machte einen Handstandüberschlag.
    Ich spurtete los. Spurten ist gar kein Ausdruck. Ich schoss vor wie eine Kanonenkugel, eine ziemlich lädierte zwar, aber egal. Mit gesenktem Kopf rammte ich Marli in die Seite, gerade in dem Moment, in dem sie sich über einen großen Stein auf das Dach der Hütte katapultieren wollte. Ich hatte so viel Tempo drauf, dass wir zusammen in hohem Bogen durch die Luft flogen und ein Stück über den Waldboden schlitterten.
    »Au!«, schrie ich, als mein Kinn auf Marlis Schädel knallte. Einen Moment lang sah ich Sternchen vor den Augen. Und dann noch mal, als Marli mir eine verpasste. Direkt ins Gesicht. Und noch eine in den Magen. Erst dann nahm sie sich die Zeit nachzusehen, WER ihr da eigentlich in die Quere gekommen war.
    »Luna?«, fragte sie verblüfft. »Hast du sie nicht mehr alle?«
    Schwer atmend ließ ich mich auf den Rücken fallen. Ich spürte, wie meine Lippe heftig zu pulsieren begann und anschwoll. Ich begann, hysterisch zu lachen. Vor Erleichterung. Vor Glück. Vor… was weiß ich. Suse war inzwischen von der Hütte geklettert, stand über uns gebeugt und starrte mich an. Ich muss ausgesehen haben wie eine Irre, wie ich mich da auf dem Boden wälzte und nicht mehr aufhören konnte zu lachen.
    »Kein Wasser im Pool«, flüsterte Marli schon wieder. »Ach du Scheiße.«
    Wir hockten im Kreis auf dem Waldboden, Suse drückte mir eine Plastikwasserflasche auf die Lippe, um sie zu kühlen. Aber ich spürte schon, dass es dazu viel zu spät war.
    »Ich wäre jetzt tot!« Wie um diese Erkenntnis zu unterstreichen, hob Marli einen faustgroßen Stein auf und warf ihn über die Mauer. Er landete mit einem dumpfen Aufschlag auf der anderen Seite. Im leeren Swimmingpool. Wir sahen uns stumm an.
    »Hab ich mich überhaupt schon bei dir bedankt?«, fragte Marli dann.
    »Ungefähr elf Mal«, antwortete ich.
    »Zappel nicht so rum«, sagte Suse. »Mann, was hast du mit deinen Händen gemacht?«
    »Gestolpert«, lispelte ich wegen der Flasche vor dem Mund.
    »Wahnsinn.« Suse legte ihren freien Arm um meine Schulter und zog mich an sich.
    Das fühlte sich vielleicht gut an.
    »Was ist mit deinem Auftritt?«, fragte Marli ein paar Minuten später, als ihr Gesicht wieder etwas Farbe angenommen hatte.
    »Na ja, ich hatte Wichtigeres zu tun.« Ich schob die Flasche weg. »Die ist sowieso schon ganz warm.«
    Suse grinste mich an. »Siehst mit der dicken Lippe aus wie Donatella Versace.«
    »Bloß dass ich nichts fürs Aufspritzen zahlen musste«, murrte ich. »Wäre ein super Geschäftsmodell: Lippenvergrößerung, indem man sich von Marli vermöbeln lässt.«
    »Tut mir echt leid. Ich bin nur so furchtbar erschrocken. Ich dachte, mich fällt irgendein Typ an oder so«, murmelte Marli zerknirscht.
    Sie strich sich ihr verschwitztes blondes Haar aus der Stirn. Von der schicken Tolle, die sie sonst hatte, war nichts mehr zu sehen. Sie trug eine weite orangene Jogginghose und ein gelbes T-Shirt, Schweißbänder an den Armen und heute mal ein orangenes Tapeband um den Ringfinger.
    »Schon gut.«
    Marli zupfte mir ein paar Blätter von der Strumpfhose. »Aber dein Auftritt – du hast dich wochenlang drauf vorbereitet!«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Was soll’s.«
    Plötzlich sprang Marli auf, streckte mir die Hand hin und zog mich auf die Beine. »Bestimmt kommst du noch rechtzeitig hin.«
    »Quatsch«, sagte ich und dann »Autsch«. Ich hatte probehalber ein paar Schritte versucht. Mein rechter Knöchel tat höllisch weh. »Mein Auftritt ist um 20 Uhr 15.« Ich sah auf die Uhr. »Also in ungefähr einer Minute.«
    »Okay. Aber bei so einer Veranstaltung, da weiß man ja nie. Mit etwas Glück hat sich alles verzögert und du schaffst es noch«, rief Marli.
    Ich schüttelte den Kopf. »Selbst wenn ich mir den Fuß nicht verstaucht hätte und rennen könnte, würde ich nicht mehr rechtzeitig ankommen. Außerdem kann kein Mensch singen, wenn er vorher gerannt ist.«
    Suse
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