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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Lisowsky
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Augen war das Bild eines kleinen, unendlich hageren Mannes erschienen, der bei windigem Wetter nicht aus dem Haus ging, aus Angst, fortgeweht zu werden. Dieser Mann suchte nach einer Zauberformel, die ihn retten konnte. Eikyuuno . Eine Formel, von der er selbst noch nicht wusste, ob sie einen Trank ergeben würde, gesprochen werden musste oder nur in Gedanken existierte und vom Bewusstsein aufgenommen werden würde. Ewiges Leben und Jugend, Unsterblichkeit, das war es, was das Ergebnis der Formel sein würde. Eine Magie, die die Grenzen angeborener Befähigungen sprengen würde.
    Nairod setzte sich auf und steckte den Kopf aus dem Fenster. Die kühle Nachtluft klärte seine Gedanken. Eikyuuno. Das Buch hatte ihn gepackt, an sich gerissen, und als es ihn wieder freigegeben hatte, war das Wort in seinem Geist eingebrannt gewesen.
    Mit der letzten Seite hatte nur ein Kapitel geendet, nicht das Buch. Wie viele Kapitel noch kamen, stand in den Sternen. Aber er musste sie haben, alle. Er musste lernen, zusammen mit dem Glasknochenmann. Wenn der es nicht geschafft hatte, die Formel zu vollenden, dann musste er, Nairod, es eben tun.
    Er legte sich wieder hin, ohne dass seine Gedanken jedoch Ruhe fanden.
    Eine Magie, die nicht durch Geburt vorbestimmt war. Eine Magie, die allen zeigen würde, was er war und was er konnte.
    Es würde seine Magie werden.

Kapitel 4:
DIE STIMME MIT DEM MESSER
    Da waren nur noch Dunkelheit und der Gestank von ranzigem Urin. Und kaltes Eisen um seine Hand- und Fußgelenke. Geräusche sperrte das Kerkergewölbe so erfolgreich aus, wie es die Häftlinge in seinem Innern festhielt.
    Vor Stunden hatten die Gardisten ihn in das Gefängnisgebäude geführt, das von außen und bei Licht besehen nur wie ein kleines Lagerhaus wirkte, um das sich ein Graben zog. Aber im Innern führten Treppen in weitläufige Katakomben hinab, die Platz genug für die Gefangenen der Kaiserstadt boten.
    Er hatte Glück gehabt und war ins erste Stockwerk gekommen. Hier gab es zumindest noch winzige, vergitterte Fensterschlitze, durch die Helligkeit hereinkam. Die Lichtstreifen auf dem Boden waren allerdings kaum dicker als die dünn geschnittenen Schinkenscheiben in der Metzgerei. Nun hatte seine Zelle aber gar kein Licht mehr. Nicht, seit die Nacht gekommen war.
    Auf den Gängen patrouillierten keine Wachen mehr. Sie waren gegangen, nachdem sie ihn mit der Drohung, den Flammenbeller von der Leine zu lassen, in die Zelle getrieben hatten. Die schweren Ketten, die ihm Arme und Beine banden, waren ergänzt worden um Glieder, die zu Verankerungen in der Wand führten. Diese Ketten waren so kurz, dass er sich nicht setzen konnte, ohne sich die Arme abzureißen. Also stand er. Vorhin hatte er sogar im Stehen geschlafen. Die Augen zugemacht und kurz alles vergessen. Aufgewacht war er erst, als die Wachen noch einmal wiedergekommen waren, um einen – oder vielleicht mehrere – Gefangene in den ansonsten leeren Zellentrakt zu schaffen. Gemurmel, Türenknallen, Schlüssel in Schlössern. Jetzt hielten die Wächter sich vielleicht nur noch oben auf, oder sie waren überhaupt nicht mehr da. Mit Essen oder Wasser rechnete er ohnehin nicht mehr.
    »He!«, rief er. Der Laut kratzte in seiner trockenen Kehle. Er wartete, bis das Echo verhallte. Keine Antwort.
    »Bin ich hier allein?«, fragte er mit einer rauhen Stimme, die sich kaum nach seiner eigenen anhörte. Wieder keine Antwort.
    »Irgendwer muss hier sein«, sagte er etwas lauter. » Irgendwer ist vorhin hier runtergeführt worden, das habe ich gehört.«
    Rascheln und Klirren aus der Zelle nebenan. Vorhin, als es heller gewesen war, hatte er dort in der Ecke und auf Bodenhöhe einen vergitterten Schlitz gesehen, der die Zellen miteinander verband. »Vielleicht ist wirklich jemand hier«, sagte eine Stimme. »Das kommt ganz darauf an.«
    »Worauf soll es ankommen? Offenbar sitzen wir beide hinter Gittern, in der Finsternis. Das reicht doch wohl.«
    Etwas schabte über den Boden und bewegte sich in seine Richtung. Diesmal klang die Stimme näher. »Aber zu allem gibt es eine Geschichte. Wieso bist du hier? Wieso bin ich hier?«
    »Das würde ich auch gerne wissen.«
    Ein Lachen. »Ich habe zuerst gefragt. Du erzählst mir von dir, dann erzähle ich dir vielleicht, wieso ich hier bin.«
    Raigar ging so weit auf die Stimme zu, wie er konnte. Bald spannten sich die Ketten, und er musste anhalten. »Mir ist egal, wieso du hier bist. Ich würde gerne wissen, wieso ich hier in einem
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