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Magical Mystery

Magical Mystery

Titel: Magical Mystery
Autoren: Sven Regener
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»Wie bist du überhaupt reingekommen, Werner? Ich dachte, hier oben ist nur für Leute mit so einem Ausweis!« Ich hielt den Ausweis hoch, den sie am Treppenaufgang für den dritten Ring kontrolliert hatten.
    »Ha!«, sagte Werner. »Ich habe das hier!« Er hob einen Mitgliedsausweis vom Roten Kreuz hoch. »Und das hier!« Er fummelte einen Ausweis vom Arbeitersamariterbund aus seiner Jacke. »Und dann habe ich noch irgendwo einen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband! Du hast ja keine Ahnung, wo man damit überall reinkommt!«
    »Na sauber, Werner. Und woher wusstest du, wo ich bin?«
    »Das wusste ich schon die ganze Zeit. Ich hab doch schon vor Tagen in Berlin angerufen, bei den BummBumm-Typen, und dann hab ich mir dieses Käseblatt gekauft, RaveOn, und da stand drin, wo ihr überall unterwegs seid, so von wegen Magical Mystery! Das ist doch von den Beatles geklaut, schämt ihr euch gar nicht? Aber egal, eigentlich wollte ich dich in Hamburg abfangen, aber dann dachte ich mir, warum nicht noch ein paar Tage Urlaub machen und mir das hier in Essen mal angucken, du hast mir meinen Urlaub ja schon genug versaut!« Er schaute den Bierbecher an, der vor ihm stand und schob ihn dann weg. »Schmeckt komisch«, sagte er. Und zu mir: »Mal ehrlich: Was soll der Scheiß, Karl? Musste das denn sein?«
    »Ging nicht anders, Werner.«
    »Am Arsch, ging nicht anders! Du glaubst doch wohl nicht, dass du solche Dinger machen kannst und dann einfach wieder zurückkommen oder was?«
    »Ich will ja gar nicht zurück.«
    »Wo willst du denn hin?«
    »Mal sehen. Ich gehe wieder nach Berlin.«
    »Klaus-Dieter hat gesagt, er hätte dich beim Biertrinken gesehen.«
    »Klaus-Dieter redet Unsinn. Das war alkoholfreies Bier!«
    »Alkoholfrei? Das heißt gar nichts! Das ist bloß das letzte falsche Bier vor dem ersten richtigen. Das ist schon wieder der erste Kreis der Hölle, Karl. Und was soll das hier werden? Willst du in Zukunft wieder in Kneipen arbeiten?«
    »Ich will überhaupt nicht in Kneipen arbeiten.«
    »Was dann?«
    »Keine Ahnung. Aber ins Kinderheim gehe ich nicht mehr zurück. Und zu Clean Cut auch nicht.«
    »Du glaubst wohl, du hast das alles im Griff, oder was? Weil du jetzt zwei Wochen oder noch nicht mal zwei Wochen irgendwie klargekommen bist! Aber ich sage dir mal was, Karl: Das wird immer gefährlicher! Wenn du erstmal denkst, dass dir nichts mehr passieren kann, dann bist du wirklich in Gefahr. Wenn du denkst, die Schraube wäre wieder fest drin, dann wird’s wirklich gefährlich!«
    Die Kaffeemaschine war fertig. Ich nahm den Becher von Werner, kippte ihn aus, spülte ihn durch und füllte mir Kaffee rein. »Willst du auch Kaffee, Werner?«
    »Nein. Wir sind hier doch nicht bei den anonymen Alkoholikern! Ich will lieber ein Bier. Wieso hast du das weggekippt?«
    »Du hast gesagt, das schmeckt komisch!«
    »Na und?«
    »Außerdem, seit wann trinkst du Bier, wenn einer von uns dabei ist?«
    »Du bist keiner mehr von uns. Und ich trinke Bier, so viel ich will. Vor allem, wenn ich Urlaub habe. Ich darf das nämlich, Karl Schmidt. Aber du nicht! Wie willst du auf Dauer damit klarkommen, wenn dich das bei mir schon stört?«
    »Stört mich ja gar nicht.«
    »Soso, stört dich nicht. Ist ja das Allerneuste! Als nächstes kommt dann: ›Vielleicht bin ich ja gar kein Multitox!‹«
    »Wer weiß. Außerdem wäre ich mit dem Bier vorsichtig, Werner. Vielleicht hat Ferdi ja wirklich Koks reingetan.«
    »Am Arsch. Und wenn schon. Ich bin nicht in diesen Beruf gegangen, weil ich selber das Problem habe, Karl Schmidt. Leute wie du haben das Problem. Wo war ich vorhin eigentlich stehengeblieben?«
    »Schraube wieder fest drin, gefährlich.«
    »Schraube wieder fest drin, genau: Viele von euch glauben, weil sie bloß einmal irre waren und dann wieder rausgekommen sind, wäre die Schraube wieder fest drin und alles wäre wieder gut. Aber die Schraube ist nicht gelockert worden, sie wurde überdreht, Karl Schmidt. Und wenn die Schraube einmal überdreht wurde, dann sitzt sie nie mehr fest drin. Wenn ein Unterhemd einmal ausgeleiert ist, dann schlabbert das für immer!«
    »Moment mal, Werner, wieso denn jetzt plötzlich Unterhemd? Ich dachte Schraube!«
    »Bin ich im Urlaub draufgekommen, frag nicht!«
    »Schraube ist besser. Die Schraube, die einmal überdreht wurde und nie wieder richtig fest sitzt – damit kann ich als Hausmeister was anfangen.«
    »Hilfshausmeister, Karl Schmidt! Ex-Hilfshausmeister!«
    »Seit wann lernt ihr in
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