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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Autoren: Giovanni Tizian
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Ermittlungen der Polizei ergaben, dass das Restaurant
Da Bruno
von besonderer Bedeutung für den Pelle-Vottari-Clan war. Darüber gibt nicht nur die Heiligenstatue Aufschluss. Bei Tommaso Venturi, einem der Opfer des Anschlags, wurde noch ein weiteres Bildnis des Erzengels gefunden. Die halb verbrannte Postkarte des Mafia-Heiligen spricht dafür, dass Venturi in dieser Nacht in die Reihen der ’Ndrangheta aufgenommen worden war. Ihre Riten, Vorstellungen von Ehre und Respekt gelten bekanntlich über regionale und Staatsgrenzen hinaus. Von San Luca bis Modena, von Platì bis Toronto, von Reggio di Calabria bis Duisburg.
    Nach dem blutigen Anschlag wurden – mit dem Gestus der Überraschung und der Neuigkeit dieser Erkenntnis – die Einzelheiten und die Umstände dieser Tat vielfach beschrieben und die Strukturen der Mafia-Herrschaft in Deutschland eingehend analysiert. Als ob diese vorher völlig unbekannt gewesen wären. Diese ebenso allgemeine wie verräterische Verwunderung über das Massaker von Duisburg belegt daher exemplarisch die sträfliche Unterbewertung der Mafia außerhalb Süditaliens. Man sollte den Tatsachen endlich ins Auge sehen und eingestehen, dass sich der Machtbereich der ’Ndrangheta längst auf viele andere Länder ausgedehnt hat. Heutzutage kann sie überall in Erscheinung treten, in jeder nur erdenklichen Form.
    Viel Zeit verging, bis es der Polizei endlich gelang, die Täter, die hinter dem Anschlag steckten, aufzuspüren. Eine Tonschüssel für Nudelaufläufe und eine Metzgereitüte voller Würstchen und pikanter Schweinskopfsülze führten auf die Spur von Giuseppe »Charlie« Nirta, dem Schwager von Giovanni Strangio. Seit zehn Jahren auf der Flucht vor der italienischen Justiz, sah Nirta keinen Grund, deswegen auf schmackhafte Spezialitäten der kalabrischen Küche zu verzichten. Als die drei Schwestern Strangios am 24. November 2008 in Amsterdam mit großen Fresspaketen im Gepäck ankamen, wurden sie von einer Spezialeinheit der italienischen Polizei beschattet und führten diese direkt zu Nirta.
    Ein halbes Jahr später endete für den bis dahin flüchtigen Giovanni Strangio die Freiheit. Auch er wurde in Amsterdam festgenommen. Dort hatte er sein geheimes Hauptquartier in einem der unscheinbaren Wohnkomplexe am Rand der historischen Altstadt aufgeschlagen. Mit Basecap und Sonnenbrille glaubte er sich ausreichend getarnt und ging sogar in aller Öffentlichkeit spazieren. Als die Beamten zuschlugen, fanden sie in seiner Wohnung zahlreiche Waffen, falsche Pässe und Bargeld im Wert von 500.000 Euro. Kleingeld für die ’Ndrangheta, Peanuts für den dreißigjährigen Strangio, dazu ausersehen, der nächste Boss des Clans zu werden.
    In Deutschland hatte er den Gastronom gegeben. Auf ihn waren zwei Pizzerien in Kaarst bei Düsseldorf angemeldet.
Toni’s Pizza
hieß die eine, die andere nach dem Mafia-Heiligen
San Michele
. Schon seit Mitte der achtziger Jahre hatte die Führung der Mafia dafür gesorgt, dass unter dem Deckmantel legaler wirtschaftlicher Aktivitäten außerhalb Italiens Vorposten für den Drogenhandel und die Geldwäsche eingerichtet wurden. Beispielsweise in Westdeutschland, nahe der Grenze zu Holland, dem Land, das als eine der Hauptquellen für synthetische Drogen gilt. Von Bedeutung war hierbei auch der nicht weit entfernte, riesige, schwer kontrollierbare Hafen von Rotterdam mit seinen Schmuggel- und Transportmöglichkeiten.
    Zunächst diente Westdeutschland den Clans hauptsächlich als Transitroute für Waffen- und Drogengeschäfte. Erst im zweiten Schritt begannen sie, auch im Bereich der legalen Wirtschaft aktiv zu werden. Ab den achtziger Jahren investierte die ’Ndrangheta in großem Umfang Drogengelder in Duisburg, Kaarst, Dortmund, Aachen und Essen. Dort, im Herzen des Ruhrgebiets, nutzten die Clans den sich abzeichnenden Strukturwandel dazu, Hotels und Restaurants günstig aufzukaufen. Bisher konnten mehr als dreißig solcher Mafia-Betriebe identifiziert werden. Auch das Restaurant
Da Bruno
in Duisburg und die beiden Pizzerien in Kaarst zählten dazu.
    Das Hotel, in dem die italienische Nationalmannschaft während der Fußballweltmeisterschaft 2006 logierte, soll angeblich ebenfalls eine dieser Mafia-Immobilien sein. Es gehört einem ehemaligen deutschen Olympioniken und einem Angehörigen der Familie Pelle aus San Luca. Letzterer habe, so die Aussage eines Kronzeugen, einen Kredit von 19 Millionen Euro für den Bau des Hotelkomplexes von der Mafia
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