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Maeve

Maeve

Titel: Maeve
Autoren: Jo Clayton
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wiederholt seine linke Hand über die Oberseite seines Schädels. „Nehmen und töten. Töten sanftmütige Leute …“ Seine Schulter sackte plötzlich herunter, als er sich in unglückliche Erinnerungen zurückzog.
    „Ihr wollt also die Gesellschaft vertreiben.“
    „Ja.“ Sie fühlte seine hilflose Wut. Einen Herzschlag lang rührte sich Mitleid in ihr, dann stieß sie es davon. Nein, dachte sie. Nicht schon wieder. Es geht mich nichts an.
    In Schweigen ritten sie weiter durch die Luft, die dünn und kühl genug war, um sie frösteln und daran denken zu lassen, den Poncho, der hinter dem Sattel lag, loszubinden. Es war jedoch nicht kalt genug, um die Anstrengung wirklich lohnend zu machen. Die Luft brannte in ihren Lungen und sog die Feuchtigkeit aus Lippen und Nase. Als ihre Zunge um ihren Mund schnellte und sich bemühte, die Feuchtigkeit zu ersetzen, konnte sie fühlen, wie sich in ihren Lippen haarfeine Risse öffneten. Über ihnen war der Himmel ein kaltes Blau mit zerfetzten, strähnigen Wolken, die über die Halbkugel eilten, während der Wind weiter unten groben Staub über den verschrammten Stein trieb und ihn singen ließ. Hinter ihr kroch die Sonne in ihrem westlichen Bogen mit hinkender Mattigkeit herunter, und sie glaubte zu spüren, wie sie nach einer normalen Geschwindigkeit krallte. Jedesmal, wenn sie zurückblickte, mußte sie nach der rostbraunen Scheibe suchen, da ihre Körperrhythmen mit den in ihr verwurzelten Erwartungen ihre Blicke automatisch zur falschen Stelle des Himmels schickten.
    „Leute von der Gesellschaft!“ sagte Gwynnor plötzlich. „Bist du …“
    „Mhm …?“
    „Gehörst du zu einer Gesellschaft?“
    „Nein. Dort, wo ich geboren worden bin, hat noch nie jemand etwas von den Gesellschaften gehört. Verdammt. Das ist weit zurück.“ Sie rieb die Finger sanft über das nachgiebige Rückenfell des Kaffa, starrte über den auf und ab tanzenden Kopf, auf die öde Fläche von verwittertem Stein. „Weit, weit zurück …“
    „Warum hast du den Ort verlassen, wohin du gehörtest?“ Mißbilligung war scharf in seiner Tenorstimme.
    „Gehörte!“ Ein Bellen von unfrohem Lachen entfuhr ihr. „Sie wollten mich als Hexe verbrennen.“
    Ihr Reittier scheute, als ein knorriges kleines Reptil in Panik zwischen seinen Läufen hindurch floh. Beinahe im gleichen Sekundenbruchteil stürzte ein dunkler Schatten vom Himmel und segelte mit dem sich in seinen Klauen windenden Reptil davon. Aleytys runzelte die Stirn. Sie sah drei, vier Sekunden weiter zu, schloß dann die Augen. Der Vogel verschwand aus ihren Sinnen, nicht einmal ein schwaches Flattern von Bewußtsein, das nahe befindliches Leben für gewöhnlich an ihren Nervensträngen entlang bewegte, wenn sie es nicht bewußt ausschloß.
    Als sie wieder aufsah, stieg die schwarze, dreieckige Form auf einem warmen Aufwind empor, zu hoch, um sehen zu können, ob das zappelnde Reptil noch immer aus seinem Schnabel baumelte. „Hey!“ Sie zwang ihre Blicke herunter. „Gwynnor!“ Er ritt vornüber gesunken, tief in unglücklichen Gedanken. „Gwynnor!“
    Er machte seine schmalen Schultern gerade und blickte sich um.
    „Ist da ein Vogel da oben, oder träume ich?“
    Seine Augen wurden rund. „Ein Eryr. Warum?“
    „Wenn ich meine Augen schließe, ist er nicht da. Warum kann ich ihn nicht genauso gut fühlen, wie ich ihn sehe?“
    „Du siehst?“
    „Wenn ihr es so nennt.“
    Er heftete seine Blicke auf den Eryr, als dieser an der Sonne vorbeisegelte. „Beutetiere auf Maeve SEHEN. Die meisten von ihnen. Auch manche der Cerdd. Ich … ich auch. Früher. Jetzt nicht mehr.“ Er überging die Worte rasch, wurde dann langsamer, als er zu erklären fortfuhr. „Da sie ohne diese Fähigkeit verhungern würden, haben sich einige Raubtiere so entwickelt, daß sie für die Sicht unsichtbar sind.“ Die Blicke aus seinen strahlend hellen, nervösen Augen fuhren über den Himmel. „Beinahe hätte ich es vergessen. Es gibt Schlimmeres als die Eryr an diesen Himmeln.“
    „Schlimmeres?“
    „Peithwyr.“ Er fröstelte. „Sechs Meter lange ledrige Schwingen und Zähne und als Schweifspitze ein Giftstachel.“ Er grub seine Fersen in die Flanken des Kaffa. Mit einem verächtlichen Schnauben beschleunigte das Tier, das Senken und Schwanken seines Ganges nahm alarmierend zu. „Ich vergaß …“ warf er ihr über die Schulter zurück zu.
    Aleytys trieb ihr Reittier an und schloß zu ihm auf. „Ich wäre nicht in der Lage, ihn kommen zu
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