Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maeve

Maeve

Titel: Maeve
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
fühlen?“
    „Nein.“ Er blickte wachsam umher. „Nein“, wiederholte er nach einer Weile. „Wenn ein Peithwyr angreift, dann spring zuerst vom Kaffa herunter. Spring mit deinem ersten Sprung so weit du kannst. Wenn du Glück hast, wird er sich daranmachen, das Kaffa zu zerreißen und dich außer Sichtweite hinter den nächstbesten Felsen kommen lassen, den du erreichen kannst. Dann hast du vielleicht eine Chance von eins zu fünfzig, lebendig davonzukommen.“
    „Warum nicht erschießen? Du bist bewaffnet.“
    „Heilige Maeve! Nein, Aleytys.“ Sein Gesicht war eine Studie in Sachen Bestürzung. „Ein verwundeter Peithwyr? Er würde nicht eher aufhören, bis sogar der Boden zerfetzt wäre. In kleine Stücke.“
    „Selbst wenn du ihn töten würdest?“
    „Peithwyrn sind schwer zu töten. Man müßte Glück haben. Einen guten Augentreffer anbringen.“
    Sie konnte die Anspannung in ihm zunehmend fühlen. „Wo Eryr sind, ist häufig auch der Peithwyr.“
    Aleytys schauderte und bewegte sich unbehaglich im Sattel hin und her. „Früher war mir die Geistkontrolle von Raubtieren möglich.“
    „Verschwende deine Zeit nicht.“
    Der Nachmittag wurde langsam älter. Aleytys verfiel in einen müden, halb dösenden Zustand, durch das ereignislose Vergehen von Stunden in Achtlosigkeit gewiegt. Die ebene Steinoberfläche dehnte sich fort bis zum Horizont, hier und da einige struppige Pflanzen, von staubigem Graugrün, schwer vom Gestein zu unterscheiden. Gelegentlich huschten Reptilien vor den Läufen der Kaffon davon, aber kein Eryr durchbrach die sterile Stille des Himmels.
    „Runter! Auf den Boden!“ Gwynnors Kreischen katapultierte sie von ihrem Kaffa, ließ sie zu einem wirren Felsenhaufen hin tauchen, ohne auf das rasende Scharren der Läufe des Tieres zu achten. Ein plötzlicher fauliger Gestank wehte – von großen Schwingen gepeitscht – auf einer Luftwoge vorbei. Schwärze schlug über ihr zusammen. Das Kaffa schrie. Dann: mit Reißgeräuschen erfüllte Stille. Sie krabbelte davon. Ein Felsblock. Sie krachte dagegen. Kroch darum herum. Lugte vorsichtig zurück.
    Das Kaffa lag als knochenloser Haufen da, die Kehle zerfetzt, Blut spritzte in einem dampfenden, nachlassenden Bogen heraus. Wieder Gestank. Etwas traf ihre Schulter, ein betäubender Schlag. War verschwunden. Ein Schrei. Abgeschnitten.
    Sie hielt sich geduckt, bewegte sich mit angstgeborener Vorsicht; blickte kurz um den Felsblock. Das andere Kaffa war gerissen und verspritzte Blut. Der Peithwyr schlug seine ledrigen Schwingen mit gewaltigen Schlägen, stieß seinen riesigen, hohlknochigen Körper wieder in die Luft. Er kreiste über den zerfleischten Tieren, kam dann auf sie zugestürzt.
    Sie kroch hastig rückwärts, zog am Saum ihres Hemdes, um an den Revolver heranzukommen.
    Der Peithwyr fiel wie eine Bombe. Verzweifelt trieb sie ihren Körper davon und versuchte noch immer, den Revolver freizubekommen.
    Der Peithwyr fiel; Krallen glitzerten im rotbraunen Licht.
    Schmerz. Nicht ihre Kehle. Ihre Schulter. Schmerz. Er stieß sie auf die beruhigende Schwärze zu, die sich unter der Qual ansammelte. Ihre Schulter stand in Flammen. Feuer breitete sich von dem weißglühenden Zentrum aus, in dem eine pumpende Arterie ihre Kraft verspritzte. Kaum bemerkt, schlugen Schwingen über ihr, schwenkten dann ab. Als sie ohnmächtig wurde, hörte sie ein Knirschen von Knochen. Der Peithwyr hockte dunkel und drohend, riß an dem Kaffa. Ihr Blick verschwamm. Schwärze war warm, der Schmerz fern, eine große, mahlende Qual, fern … ihr Leben spritzte aus der zerfetzten Arterie davon.
    Etwas stieß sie an.
    Bernsteinaugen öffneten sich im Innern ihres Schädels. „Aleytys!“ Die Altstimme war vertraut … vertraut … sie wollte nicht wissen, woher …
    Erinnerung war eine Hut von Schmerz. Sie wollte sie leugnen, aber sie hatte keine Kraft. „Harskari.“ Aleytys’ Lippen bewegten sich mit dem Namen. „Warum?“ Ein roter Kegel schob sich vor. Töten. Meine Liebe töten. Warum?
    Schwarze Augen öffneten sich. „Freyka!“
    Geht weg. Ich will euch nicht. Ich werde euch nicht lassen … Ich akzeptiere euch nicht … Ich werde euch nicht …
    Zarte Klänge flüsterten um ihren Kopf, entzückende Schmetterlingstöne, die um die Geräusche des gierig schlingenden Peithwyr sangen. Die Bernsteinaugen veränderten sich. Ein schmales, dunkles Gesicht, umrahmt von schimmerndem, silbernem Haar bildete sich um sie herum. „Aleytys! Heile dich. Jetzt,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher