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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition)
Autoren: Anna Katmore
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runter und verschränkte die Finger resignierend auf dem Tisch. „Warum landest du nur immer wieder in solchen Schwierigkeiten? Mädchen in deinem Alter sollten in Parks rumhängen und nicht auf einem Polizeirevier.“
    Quinn war ein netter Kerl. Große Augen, chaotisch perfekt gestyltes Haar, gut gebaut. Vermutlich keine zehn Jahre älter als ich. Einmal hatte ich ihn gefragt, wie alt er wirklich sei, doch als Antwort bekam ich nur: Alt genug, um es besser zu wissen, Kleine.
    Im Gegensatz zu Debbie Westwood war Quinn ein wirklicher Freund. Mein einziger. Und das, obwohl er als Cop ja eigentlich für die Gegenseite spielte. Aber er hatte mich schon ein paar Mal auf einen Cheeseburger zu McDonald’s eingeladen, als er mich nach seiner Schicht zurück ins Waisenhaus gefahren hatte—meistens nachdem ich wieder einmal bei irgendeinem Blödsinn erwischt worden war. Das Tolle an Quinn war, dass er in mir mehr sah. Etwas Besonderes. Jona, den Teenager und nicht nur, wie alle anderen, die Kriminelle.
    Während des knappen Jahres, das wir uns nun kannten, hatte er niemals eine Gelegenheit ausgelassen, um zu versuchen, mir in mein rebellisches Gewissen zu reden. Und heute würde er bestimmt keine Ausnahme machen. Seine Nasenflügel flatterten leicht, als er für sein Alter viel zu tief seufzte. „Was hast du denn dieses Mal wieder angestellt?“
    Da kam plötzlich Riley nach vorn, den ich seit dem Betreten des Büros ignoriert hatte. Er schlug mit der Faust auf den Tresen, wobei er den lila Sweater zwischen seinen groben Wurstfingern hielt. „Der kleine Jim Dawkins hier hat wohl einen Streifzug durch Camden Market gemacht. Wir haben die Beute sichergestellt.“
    Genervt blickte ich zur Decke. „Jack … es heißt Jack Dawkins. Jemand sollte dir Oliver Twist über die Rübe hauen, damit du es dir endlich merkst.“ Ich hätte mich sogar freiwillig gemeldet, wenn jemand ein Buch in der Nähe gehabt hätte, das dick genug war, um eine Delle in seinem Dickschädel zu hinterlassen. Und wenn ich nicht gerade in Handschellen stecken würde, versteht sich. Ich warf Quinn einen besorgten Blick zu. „Warum gibst du dich mit solchen Schwachköpfen ab?“
    Das war offenbar der Tropfen, der Riley, das Fass , zum Überlaufen brachte. Er stürzte auf mich zu und ich konnte das zornige Feuer in seinen Augen erkennen. Doch Quinn packte ihn am Arm und zog ihn zur Seite, bevor Riley mich auch nur anfassen konnte. „Danke, dass ihr sie hergebracht habt“, sagte er mit ruhiger, doch unmissverständlich dominanter Stimme. „Von hier an übernehme ich.“
    Riley grunzte, doch er gab schließlich nach und stapfte davon, wobei er so heftig schnaubte, dass sogar Thomas, die kleine Lokomotive, neidisch werden würde. Nachdem er und sein Partner in einem Nebenraum verschwunden waren, wandte sich Quinn wieder mir zu.
    Oh, oh! Sein Blick gefiel mir gar nicht. Das würde Ärger geben.
    „Dir ist hoffentlich klar, dass Abe dafür deinen Kopf rollen sehen will“, sagte Quinn schließlich, doch er machte eine kurze Pause, als mir ganz offensichtlich die Farbe aus dem Gesicht entwich.
    Zum ersten Mal hatte ich das Vergnügen gehabt, einen Gerichtssaal von innen zu sehen und Bekanntschaft mit Richter Abraham C. Smith zu machen, nachdem ich vor elf Monaten einen Gameboy von Stanton Electronics gestohlen hatte. Ich bezeichnete den kahlköpfigen Richter gerne als meinen speziellen Freund, obwohl er für meine Wenigkeit wohl eher den Ausdruck „permanente Plage“ bevorzugte.
    Kleine Ladendiebstähle im vergangenen Jahr gaben uns die Gelegenheit, unsere Freundschaft Extraordinaire zu pflegen und weiter auszubauen. Miss Mulligan hatte zwar bisher immer meinen Arsch gerettet, doch bei meinem letzten Zusammentreffen mit Abe Smith hatte dieser geschworen, er würde mich für die nächsten fünfhundert Jahre wegsperren, falls ich auch nur noch ein einziges Mal in seinem Büro aufkreuzen würde. Er hatte dabei ausgesehen, als würde er gleich anfangen Feuer aus den Ohren zu speien. Mit einem Blick so scharf wie Supermans Laserstrahlen warf er mich dann aus seinem Amtszimmer, das gleich hinter dem Gerichtssaal lag und wo bedeutungslose Fälle wie meine abgehandelt wurden. Ich war echt nicht scharf darauf, ihm so schnell wieder unter die Augen zu treten.
    Quinn stand auf und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ihn schüttelte ich nicht ab, so wie ich es bei dem anderen Bullen vorhin getan hatte. „Komm schon, Kleine. Wir füllen die Formulare aus und dann
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