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Maenner weinen nicht

Maenner weinen nicht

Titel: Maenner weinen nicht
Autoren: Constanz Loeffler
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krank waren (siehe Abb. ☛ ) als Frauen. Schon damals spielten Depressionen eine wesentliche Rolle. Besonders gefährdet sind offenbar Männer in ihren »besten Jahren«: Bis zu 15 Prozent der 40- bis 44-Jährigen müssen eine berufliche Auszeit nehmen. Wahrscheinlich ist die Lebensmitte eine Zeit, in der häufiger familiäre Konflikte auftreten und berufliche Veränderungen zu mehr Belastungen und zu Überforderung führen. Das hinterlässt seelische Spuren, die man neuerdings »Burnout« nennt und die Vorläufer einer Erschöpfungsdepression sind.
    Das ungehörte Geschlecht
    Doch so sehr Experten von Krankenkassen und Bevölkerungsstudien auch Alarm schlagen: Kaum einer kümmert sich bisher hierzulande um die Depressionsforschung bei Männern. Bislang fehlen Studien dazu, wie die Depression des Mannes am besten behandelt werden soll. Es gibt nur wenige Daten, die zeigen, ob Antidepressiva bei Männern wirken, und die Klarheit darüber bringen, wie sie das tun. Weil die Unterschiede zwischen Männern und Frauen lange unbeachtet blieben, gab es bisher beispielsweise auch keinen Anlass nachzuforschen, ob ein Antidepressivum speziell für Männer sinnvoll ist. So ist etwa die Wirkung der Psychotherapie besonders beim Mann schlecht untersucht.
    Selbst große Initiativen wie die Stiftung Deutsche Depressionshilfe oder der gemeinnützige Verein »Deutsches Bündnis gegen Depression e.V.« haben bislang kaum spezielle Angebote und Informationen für Männer. Mit der Soziologieprofessorin Anne Maria Möller-Leimkühler, dem Psychotherapeuten und Psychosomatiker Manfred Wolfersdorf und dem Suizidforscher Reinhard Lindner aus Hamburg beschäftigen sich gerade einmal drei Wissenschaftler genauer mit der Depression beim Mann. Sie fragen nach, ob Männer andere Therapien als Frauen brauchen und welcher Typ Mann für die Gemütsschwere besonders gefährdet ist. Doch drei Forschungsgruppen für drei bis vier Millionen Betroffene? Gerade bei vermeintlichen Frauenkrankheiten wie der Depression stehen Männer bislang nicht genügend im Fokus der Wissenschaft. Es scheint, als verschlössen Institutionen und Wissenschaft gleichermaßen die Augen angesichts der akuten Situation.
    Leben auf der Überholspur
    Die Auslöser der männlichen Depression finden sich häufig in der Arbeitswelt. Überhöhte Anforderungen, dabei fehlende berufliche Anerkennung, schlechte Bezahlung oder geringe Entscheidungsfreiheit erleben Männer als besonders belastend. Ein sich stark wandelnder Arbeitsmarkt, befristete Verträge und Arbeitslosigkeit sowie Erwerbsbiografien, die nur noch selten geradlinig verlaufen, halten eine Vielzahl von Krisenfaktoren bereit. Selbst wenn der Vertrag unbefristet ist, birgt der Arbeitsplatz Unwägbarkeiten und Probleme: Arbeitsmenge, Zeit- und Leistungsdruck oder Arbeitsplatzunsicherheit haben in den letzten zwanzig Jahren immer weiter zugenommen – und damit das Risiko für psychische Erkrankungen erhöht.

    Schilling & Blum; aus Fiese Bilder 4, © 2012 Lappan
    Es kommt nicht von ungefähr, dass insbesondere depressive Erkrankungen häufig als Folge des Arbeitsplatzverlustes auftreten. »Wer arbeitslos wird, hat oft das Gefühl, dass er die Kontrolle über sein Leben in einem ganz zentralen Bereich verliert«, erklärt Wolfersdorf. Für den Einzelnen bedeutet das, dass er trotz Mühen und Anstrengungen an der Situation zunächst nichts verändern kann. Für Männer, die sich sehr stark über berufliche Leistungen und Erfolge definieren, ist das ein besonders herber Schlag. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, lässt sie resignieren, das Selbstwertgefühl geht in den Keller. Die Folgen: Soziale Kontakte schlafen ein, familiäre Konflikte kochen hoch, stabilisierende Strukturen und Abläufe gehen verloren. Studien zufolge sind Arbeitslose doppelt so häufig von Depressionen betroffen wie Menschen, die einen festen Job haben.
    Nicht immer ist es die Arbeitssituation allein: Depressiv werden vor allem die Männer, die Arbeits- und Beziehungsprobleme gleichzeitig haben, bei denen also die wichtigen Ankerpunkte im Leben ins Wanken geraten, so Wolfersdorf. Auch Profifußballer Andreas Biermann hatte das erste Mal Suizidgedanken, als zwei tragische Ereignisse zusammentrafen: Ein Kniespezialist attestierte ihm das sportliche Aus. Für Biermann ein Schock. Wenig später musste er entdecken, dass seine Freundin offenbar ein Doppelleben führte und nicht nur mit ihm eine Beziehung hatte. Die Verbindung ging in die Brüche.
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