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Maengelexemplar

Titel: Maengelexemplar
Autoren: Sarah Kuttner
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den Sommer.
     
    Es ist schon fast Abend, aber weil es immer noch sehr warm ist und weil ich runterkommen muss, legen wir uns in den Park. Max fragt nicht viel, er weiß, dass ich erzählen werde, wenn ich so weit bin. Also liest er und pult nebenbei mit seinem Finger in meinem Bauchnabel rum, während ich auf dem Rücken liege, in die Bäume starre und versuche, meinen Besuch beim Popstarpsychiater und dessen Bedeutung für die nahe Zukunft zusammenzufassen.
    Die Möglichkeit, nicht mehr zu denken, zu analysieren, verstehen zu wollen und vor allem ändern zu wollen, habe ich nie in Erwägung gezogen. Ich hielt es immer für den einzigen Job, den ich in diesem Spiel habe: verstehen und anwenden!
    »Hören Sie auf«, hat er gesagt, »denken Sie nicht dauernd über sich und eine mögliche Lösung nach. Hören Sie auf, mit anderen Küchentischpsychologen darüber zu philosophieren. Machen Sie sich nicht irrer, als Sie sind. Ihr Leben ist doch gut im Moment. Genießen Sie es einfach!«
    Da ist dann doch noch der Hippie in ihm zum Vorschein gekommen. Aber er hat recht. Vielleicht ist das die einzige Form, etwas wirklich zu akzeptieren: nicht mehr drüber nachdenken. Sich helfen lassen und die Verantwortung abgeben. Sich mit dem Ist-Zustand abfinden. Nicht mehr kämpfen. Der Psychiater meint sogar, dass ich nicht allzu oft zur Therapie gehen sollte. Alle drei Wochen würde erst mal vollkommen ausreichen. Nicht weil er kein Fan von Therapien ist, sondern weil er findet, dass man sich in Zeiten, in denen man besonders
vulnerabel
ist, nicht auseinandernehmen, nicht dauernd über sich reden sollte.
    Ich werde wieder Antidepressiva nehmen, ich weiß, dass die angstlösende Komponente innerhalb kürzester Zeit wirkt, also keine Angst mehr. Und da liege ich und merke, während Ameisen auf meinem Körper Infrastruktur bauen, dass sich Ruhe in mir ausbreitet. Der neue Plan gefällt mir, und endlich finden zwei Puzzlestücke mit einem leisen Klick zueinander.
    Den Kopf endlich ausschalten. Mein schönes Leben leben. Denn eigentlich ist es tatsächlich schön, mein Leben! Der Finger in meinem Bauchnabel erinnert mich daran. Und wenn es durch die Einnahme den Kopf sortierender Mittel so bleibt, warum nicht? Und vielleicht lösen sich dann irgendwann ein paar Dinge in meinem Kopf von ganz allein. Ein Knoten ist immer einfacher zu lösen, wenn man nicht wie bescheuert daran rumzerrt, sondern locker lässt. Also schön locker lassen und Kopf ausschalten.
    Ab jetzt.

EPILOG
    Ich wache vor Max auf. Ich muss auf die Toilette und will für den ersten Kuss des Tages die Zähne putzen.
    Offensichtlich war Max heute schon mal wach, jedenfalls hat er bereits meine Zahnbürste mit Zahnpasta belegt. Und dazu gibt es etwas Neues auf dem Morgenhygienebuffet: Neben der Zahnbürste hat Max ein Glas Wasser platziert. Und meine allererste Kopftablette.
    Ich starre für ein paar Sekunden regungslos auf dieses Stillleben der Romantik und drehe mich, ohne die Zähne zu putzen, um und kehre sehr bestimmt zum Bett zurück.
    »Pünktchen-Mann, werde mal wach bitte!«
    »Nenn mich nicht Pünktchen-Mann!«, grummelt es zurück.
    »Ich kann dich nennen, wie ich will!«, behaupte ich.
    »Nee, kannste nicht. Nicht, solange wir keinen Exklusivvertrag haben.«
    »Ja, genau darüber wollte ich grad mit dir reden.«

DANKSAGUNG
    Ich danke Nora, Jana und Carola.
Außerdem Ansa, meiner Familie und Sebastian.
     
    Ihr steht alle auf der Gästeliste meines Herzens!

Über Sarah Kuttner
    Sarah Kuttner wurde 1979 in Berlin geboren und arbeitet als Moderatorin. Sie wurde mit ihren Sendungen »Sarah Kuttner – Die Show« (VIVA) und »Kuttner.« (MTV) bekannt und arbeitete mehrfach für die ARD. Zuletzt war sie dort mit »Kuttners Kleinanzeigen« zu sehen. Ihre Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress wurden im Fischer Taschenbuch Verlag veröffentlicht. Bisher sind dort »Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens« und »Die anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart« erschienen. Sarah Kuttner lebt immer noch und gern in Berlin, »Mängelexemplar« ist ihr erster Roman.

Mehr zur Autorin unter: www.sarahkuttner.de

Über dieses Buch
    Karo lebt schnell und flexibel. Sie ist das Musterexemplar unserer Zeit: intelligent, selbstironisch und liebenswert. Als sie ihren Job verliert, ein paar falsche Freunde aussortiert und mutig ihre feige Beziehung beendet, verliert sie auf einmal den Boden unter den Füßen. Plötzlich ist die Angst da.

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