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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour
Autoren: Robert Merle
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gelangen. Ich folge ihr, und während ich mir Mühe geben muß, an ihrer Seite zu bleiben – obwohl sie klein ist, geht sie erstaunlich schnell –, entschließe ich mich zu einem letzten Versuch.
    »Aber können Sie mir denn nicht sagen, was los ist? Wird hier gestreikt? Wie ist es möglich, daß kein Mensch in Roissy ist, nicht einmal ein Polizist?«
    Sie beschleunigt ihren Schritt noch mehr, wendet mir ihren hübschen Busen zu, an dem meine Augen sogleich hängenbleiben, und sagt leichthin: »Ich verstehe das alles selbst nicht.«
    Und während sie mich von der Seite ansieht, bedenkt sie mich mit einem Lächeln, in dem sich Falschheit und Aufrichtigkeit auf seltsame Weise mischen.
     
    Ich gehe an ihrer Seite, oder genauer: ich folge ihr, atemlos, denn so schnell ich mit meinen langen Beinen auch ausschreite, die Hostess ist mir voraus. Ich fühle mich gleichermaßen willenlos, entmündigt, schuldbewußt. Ich habe nicht den Eindruck, die Chartermaschine nach Madrapour aus freien Stücken zu besteigen. Ich bilde mir vielmehr ein, daß die Hostess mir einen Strick um den Hals geworfen hat und mich hinter sich herzieht, gefügig gemacht, ausgeplündert, ohne meine Koffer, die ich zurückgelassen habe – in einem Fahrstuhl.
    An der Schwelle der Chartermaschine bleibe ich stehen, störrisch wie ein Pferd, das nicht auf den Viehwagen bugsiert werden will. Ich weiß nicht, welche Kraft mich festnagelt, als ich die Linie überschreiten soll, die den realen Boden von demtrügerischen Boden trennt, der mich in den Himmel entführen wird. Eigener Wille ist nicht im Spiel. Stumpfsinnig, mit herabhängenden Armen, den Blick starr geradeaus gerichtet, bleibe ich stehen.
    Und plötzlich, ohne daß ich die Hostess eintreten und sich umdrehen sah, entdecke ich sie im Innern des Flugzeugs: auf der anderen Seite der Linie steht sie mir gegenüber. Und während sie mich mit ihren grünen Augen ansieht, lächelt sie schmeichelnd und fragt leise: »Kommen Sie nicht, Mr. Sergius?«
    »Wie!« sage ich fast stotternd. »Sie fliegen auch mit?«
    »Aber ja, es ist kein Steward da.« Einladend streckt sie mir ihre beiden Hände entgegen und fügt hinzu: »Nur ich.«
    Meine Entscheidung fällt ohne mein Wissen. Ich erwache aus meinem traumartigen Zustand und überschreite die Linie. Und unverzüglich beugt sich die Hostess aus dem Flugzeug, packt die schwere Tür mit erstaunlicher Kraft und Geschicklichkeit, schließt sie hinter uns und verriegelt sie.
    Mit meiner Aktentasche in der Hand stehe ich da und starre auf den Rücken der Hostess. Unvorstellbar: vor meinen Augen verwandelt sich eine Hostess aus der Abfertigung in eine Stewardess.
    »Nehmen Sie Platz, Mr. Sergius«, sagt die Stewardess.
    Ich sehe mich um. Es sind höchstens an die fünfzehn Fluggäste, nicht mehr. Die Sitze sind nicht wie in einer normalen Langstreckenmaschine angeordnet. Und offensichtlich befinde ich mich in der ersten Klasse.
    »Aber ich habe ein Ticket für die Touristenklasse«, sage ich ein wenig verwirrt.
    »Das macht nichts«, sagt die Stewardess. »Die Touristenklasse ist leer.«
    »Leer?«
    »Sie sehen es doch«, sagt die Stewardess. »Und Sie werden doch nicht allein bleiben wollen. Sie würden sich langweilen.«
    »Aber mir scheint, ich habe gar keine andere Wahl«, antworte ich, ein wenig erstaunt darüber, derjenige zu sein, der sich auf die Vorschriften beruft. »Ich kann doch nicht in einer Klasse fliegen, die nicht meinem Ticket entspricht. Ich befände mich in einer irregulären Situation.«
    Die Stewardess sieht mich mit zärtlicher Ironie an.
    »Sie sind sehr gewissenhaft, Mr. Sergius. Aber glauben Sie mir, das Ticket hat keine Bedeutung. Und außerdem erleichtern Sie mir meinen Dienst, wenn Sie hier Platz nehmen.«
    Dieses Argument und vor allem das Lächeln, das dieses Argument begleitet, überzeugen mich schließlich. Ich nehme in einem Sessel Platz, schiebe mein Handgepäck darunter und schnalle mich an.
    Ohne daß ich ihr Kommen bemerkt hätte, steht die Stewardess plötzlich neben meinem Sessel und richtet ihre grünen Augen auf mich.
    »Mr. Sergius, würden Sie mir bitte Ihren Paß und Ihr Bargeld aushändigen?«
    »Das Bargeld?« frage ich erstaunt. »Das ist aber sehr ungewöhnlich!«
    »So lauten die Anweisungen, Mr. Sergius. Ich gebe Ihnen eine Quittung, und Sie bekommen Ihr Geld bei der Ankunft zurück.«
    »Diese neue Vorschrift ist mir unverständlich«, sage ich höchst verärgert. »Ein solches Verfahren ist absurd, ja
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