Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madita

Madita

Titel: Madita
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
verzieht keine
    Miene.
    »Na?« fragt Mama.
    »Wie bitte?« fragt Lisabet.
    »Du sollst Madita um Verzeihung bitten.«
    »Das tu ich apselut nicht«, sagt Lisabet und kneift den Mund so eigensinnig zusammen wie immer, wenn sie richtig bockig ist.
    Mama versucht ihr klarzumachen, wie häßlich das von ihr war, und Lisabet sieht es auch bestimmt ein, aber um Verzeihung bitten will sie trotzdem nicht. Und das kann sie auch ebensogut bleiben lassen, findet Madita, denn dadurch wächst Jerker doch kein neuer Kopf nach. Madita weint noch ein Weilchen, dann ißt sie Jerkers Überreste betrübt auf. Lisabet steht dane-ben und bettelt sie an, sie hat wahrhaftig keine Scham im Leibe.
    »Krieg ich nicht ein bißchen ab?«
    »Garstiges Balg, du«, sagt Madita. Aber sie ist nicht knauserig.
    Lisabet bekommt eins von Jerkers Beinen, und dann gehen
    die beiden nach draußen, um zu spielen.
    »Wollen wir uns mal das Vogelnest angucken?« schlägt Ma-
    dita vor.
    154
    Lisabet ist gleich dabei. Das Vogelnest ist auf Nilssons Apfelbaum. Abbe hat es ihnen gezeigt.
    Madita und Lisabet begucken sich eine Weile die kleinen,
    hübschen, hellblauen Eier, fassen sie aber nicht an.
    Neben dem Apfelbaum steht Nilssons alter Ziehbrunnen. Er ist leer und hat kein Wasser mehr. Madita hebt den zerbrochenen Brunnendeckel hoch und guckt hinein, und da kommt ihr auch schon einer ihrer vielen Einfalle.
    »Ich weiß, was wir machen«, sagt sie. »Wir spielen Joseph im Brunnen.«
    Lisabet klatscht in die Hände. »Und ich bin Joseph, ja?«
    Madita überlegt. Eigentlich möchte sie selber am liebsten Joseph sein, aber sie weiß, daß Lisabet es niemals fertigbringt, gleichzeitig Sklavenhändler und Josephs böse Brüder zu sein.
    »Na, meinetwegen«, sagt sie und holt dann rasch eine kleine Leiter, die hinter Nilssons Waschküche steht. Die läßt sie in den Brunnen hinab, und nun kann Lisabet hineinklettern. Der Brunnen ist nicht tief, und Lisabet hat auch gar keine Angst, sondern ist ganz keck und vergnügt. Dann zieht Madita die Leiter wieder herauf. Das ist ein herrliches Spiel! Sie sitzt auf dem Brunnenrand und sieht hinunter zu Lisabet, aber sie sieht nicht etwa Lisabet vor sich, sondern den armen Joseph, der als Sklave in fremde Länder verkauft werden soll. Oh, wie leid er ihr tut! Aber jetzt ist sie Josephs böse Brüder, und deshalb sagt sie:
    »Ätsch Pustekuchen, Joseph, der erste beste Sklavenhänd-
    ler, der vorbeikommt, der kriegt dich! Da verkaufen wir dich, und das geschieht dir ganz recht.«
    Lisabet macht gleich mit.
    »Haha, dann kriegt ihr Haue von Papa, wenn ihr nach Hause kommt.«
    155

    »Glaubst du!« sagt Madita. »Wir schwindeln ihm vor, daß dich ein wildes Tier aufgefressen hat, ätsch Pustekuchen!«
    Sie schaudert, als sie das sagt, aber ist man nun mal Josephs böse Brüder, dann ist man es eben.
    Da sagt Lisabet:
    »Hat Joseph denn nichts zu essen gekriegt, als er im Brunnen saß?«
    »Weiß ich nicht.. .vielleicht«, sagt Madita.
    Eigentlich ist das eine gute Idee von Lisabet. Auf dem Brun-156

    nenrand sitzen und Joseph etwas zu essen hinunterwerfen,
    das würde bestimmt Spaß machen. Deshalb sagt Madita:
    »Wart mal, Lisabet, ich hol dir ein Butterbrot.«
    Und warten muß Lisabet ja, ob sie will oder nicht. Ohne Leiter kann sie aus dem Brunnen nicht wieder heraus. Zuerst geht Madita in die Speisekammer und macht ein Wurstbrot für
    Lisabet zurecht und eins für sich. Dann läuft sie ins Kinderzimmer hinauf, sucht einen Bleistift und ein Stück Pappe hervor und schreibt mit großen Druckbuchstaben darauf:

    Da fällt ihr Blick auf die Zigarrenkiste, die traurig und leer neben ihr auf dem Tisch steht. Madita muß daran denken, wie schön es war, als noch ein kleiner Schokoladenjunge darin lag. Jetzt gibt es ihn nicht mehr, und daran ist nur diese dumme Lisabet schuld. Und plötzlich wird Madita wieder böse auf Lisabet, verziehen hat sie ihr kein bißchen, das spürt sie jetzt.
    Und als sie zum Brunnen zurückkommt, ist sie noch genauso böse.
    Aber davon weiß Lisabet nichts. Sie glaubt, jetzt kommen
    Josephs böse Brüder zurück, und zu denen ist sie ziemlich naseweis.
    157
    »Soll man denn hier sitzen und hungern, bis man tot ist?« ruft sie.
    Das erbost Madita noch mehr. Sie spielt jetzt nicht mehr. Diese Lisabet ist ja noch gefräßiger als die Sau auf Apelkullen!
    »Du bleibst da unten sitzen, bis du um Verzeihung bittest, weil du Jerker den Kopf abgebissen hast«, sagt Madita.
    Zutiefst gekränkt schaut Lisabet aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher