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Machtkampf

Machtkampf

Titel: Machtkampf
Autoren: Manfred Bomm
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mit ihrem Buben kostenlos in dem alten Bauernhaus wohnen ließ, hielt er ihr regelmäßig als Beweis seiner Großherzigkeit vor. Denn müsste sie auch noch Miete bezahlen, wäre sie trotz ihres meist neunstündigen Arbeitstages nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Oft schon hatte sie sich vorgenommen, allem ein Ende zu bereiten.
    Sie wich zurück und erwiderte nur: »Dann hat sich ja alles erledigt. Ich wünsche eine gute Nacht.« Sie wollte gerade gehen, als Mompachs sonore Stimme sie wie ein Peitschenhieb traf: »Sandra, bleib stehen. Warte.«
    Sie erstarrte in der Bewegung. Denn da war wieder dieser autoritäre Befehlston, der ihr durch Mark und Bein ging und mit dem er sie dazu erzogen hatte, ihm aufs Wort zu gehorchen.
    Auch jetzt wagte sie keinen weiteren Schritt mehr. Sie wartete förmlich darauf, noch eine zusätzliche Arbeit aufgebrummt zu bekommen. Schließlich hatte sie ihn soeben brüskiert, als sie seinen Streicheleinheiten ausgewichen war.
    »Wie geht’s denn deinem Manuel?«, fragte Mompach unerwartet sanft.
    »Ich muss ihn morgen zur Polizei bringen, falls du das meinst. Ich werde zwischen neun und elf nicht da sein.«
    »Wie? Während der Arbeitszeit?«
    »Es hat sich nicht anders einrichten lassen«, erwiderte sie kühl und verschwand in der Dunkelheit.

    Dieter Kugler hatte eine schreckliche Nacht hinter sich. In den wenigen Augenblicken, in denen er eingeschlafen war, hatten sich all seine Ängste zu Horrorträumen geformt. Sein Herz raste und er schreckte immer wieder mit Schweißausbrüchen auf. Das waren keine normalen Träume, bei denen nach dem Erwachen alles wieder gut wurde. Nein, das Schreckliche haftete an ihm, als sei er in einen Strudel von Dämonen geraten, von denen er sich nicht mehr befreien konnte. Noch heute wollte er einen Rechtsanwalt aufsuchen und – so schwer ihm das auch fallen würde – Kontakt mit dem Oberkirchenrat aufnehmen.
    Als er im Bad sein blasses Gesicht sah und deshalb erschrocken die Augen schloss, stellte er sich vor, wie es heute im Religionsunterricht sein würde. Hatte sich bereits alles bis zur Leiterin der Grundschule rumgesprochen? Würde sie ihn des Hauses verweisen? Würden überhaupt noch Kinder zum Religionsunterricht kommen?
    Er zuckte zusammen, als sich Franziskas warme Hände auf seine nackten Schultern legten.
    »Ich weiß, wie dir zumute ist«, hörte er ihre leise Stimme. Sie drehte sich zu ihm und sah ihm fest in die Augen. »Ich weiß, du hast die ganze Nacht nicht geschlafen. Du solltest dich krankmelden.«
    »Krankmelden?« Keine Sekunde hatte er bisher daran gedacht. »Nein, Franziska, das werde ich nicht tun. Das wäre ein glattes Schuldeingeständnis. Schwäche. Nein. Ich hab mir nichts vorzuwerfen. Deshalb werde ich weitermachen wie bisher.«
    Sie nickte ihm aufmunternd zu. »Ich steh zu dir, das weißt du. Egal, was kommt.«
    Er bückte sich zum Waschbecken und warf sich eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht. Dann wandte er sich wieder seiner Frau zu. »Wenn’s dumm läuft, wird ganz viel auf uns zukommen.« Er trocknete sich das Gesicht ab. »Selbst wenn es eines fernen Tages zu einem Freispruch vor Gericht kommt, bleibt etwas hängen. Das ist sicher.« Er musste schlagartig an den Wettermoderator Kachelmann denken. »Auch nach einem astreinen Freispruch kannst du deinen Job verlieren, weil irgendjemand sagt, du seist in der Öffentlichkeit nicht mehr tragbar.«
    »Aber wieso sollte es zu einer Gerichtsverhandlung kommen?«, versuchte sie, die angespannte Situation zu lockern. »Bisher hast du nur die Anzeige von dieser Kowick, und die wiederum beruft sich auf die Schilderungen ihres kleinen Buben, der erst heute von der Polizei vernommen wird.«
    »Und wenn der dabei bleibt und weiterhin diese Geschichte erzählt? Und dann auch noch ein Glaubwürdigkeitsgutachter kommt und sagt, das Kind sei zwar in seiner Entwicklung zurückgeblieben – und daran besteht ja wahrlich kein Zweifel –, aber schon deswegen sei das Kind gar nicht in der Lage, so etwas zu erfinden. Du kennst doch die Gutachter. Die drehen und wenden das. Und die Juristen drehen’s dann auch wieder so hin, wie sie’s brauchen. Denk doch nur an den Fall Mollath. Den armen Kerl haben sie in die Klapse gesteckt, obwohl ihn einige Gutachter nicht mal gesehen haben. Und was glaubst du, was mit einem Pfarrer geschieht, dem man sexuellen Missbrauch vorwirft? Die Gutachter werden natürlich blindlings dem Kind glauben. Das ist ohnehin ein Thema, das
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