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Machtkampf

Machtkampf

Titel: Machtkampf
Autoren: Manfred Bomm
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vom Wind außen am Gebäude entlanggetrieben. Sie brauchte sich also nicht zu sorgen, zog die Metalltür ins Schloss und ging über den Hof, der von einigen Halogenstrahlern erhellt wurde. Im Schein des elektrischen Lichts waberte feiner Qualm, der vom entfernten Ende der Scheune herrührte.
    Sandra wusste, was dies bedeutete. Denn hinter dem Gebäude pflegte ihr Chef Heiko Mompach regelmäßig Unrat zu verbrennen. Dass er dies immer im Schutz der Dunkelheit tat, hatte sie in all den Jahren, seit sie bei ihm beschäftigt war, als Selbstverständlichkeit erachtet. Natürlich steckte Absicht dahinter, denn manches, was er bei Nacht verbrannte, hätte vermutlich teuer als Sondermüll entsorgt werden müssen. Doch zu dieser Uhrzeit war der womöglich schadstoffhaltige Qualm nicht zu sehen. Und das Feuer selbst hielt er so klein wie möglich. Außerdem blieb der flackernde Schein hinter der Scheune und der ansteigenden Böschung verborgen. Aber selbst wenn der Bürgermeister etwas davon erfahren würde, hätte Mompach wohl kaum mit allzu großem Ärger zu rechnen. Er galt als Großbauer, als unangefochtener Patriarch im Ort, war sogar stellvertretender Bürgermeister und stellvertretender Vorsitzender des Kirchengemeinderats und stand dem Gesangverein und der Ortsgemeinschaft der Backhausbetreiber vor. Nur aus der Feuerwehr war er mit 55 ausgetreten, worauf man ihn zum Ehrenlöschzugführer ernannt hatte. Jetzt, knapp 60, führte er aber auch auf seinem Hofgut ein strenges Regiment, sodass der einzige Sohn es vorgezogen hatte, vorläufig auf die Nachfolge zu verzichten und stattdessen in eine kleine Wohnung im Nachbarort zu ziehen. Sein Geld verdiente er als gestresster Verkaufsfahrer, wie sie heutzutage zu Zehntausenden über die Straßen gehetzt wurden.
    Heiko Mompach verlangte von seiner Ehefrau Linda, dass sie sich neben dem Haushalt voll in die Landwirtschaft einbrachte. So wie sie beugte sich auch Sandra seinem Willen, der nicht den geringsten Widerspruch zuließ. Sie allerdings war auf ihn angewiesen. Er hatte es auf geschickte Weise verstanden, sie an sich zu binden.
    Denn hätte er ihr nach der Trennung von ihrem Mann keinen Job angeboten und ihr in einem alten windschiefen Bauernhaus keine kostenlose Unterkunft gewährt, wäre sie damals mit ihrem gerade halbjährigen Kind ziemlich hilflos dagestanden und durch alle sozialen Netze gefallen. Andererseits hatte er auch allen Grund gehabt, sie zu unterstützen. Doch daran wollte sie nicht erinnert werden, obwohl sie ihm gegenüber im Grunde ihres Herzens ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit empfand. Und dies trotz der üblen Beschimpfungen, die sie oftmals erdulden musste. Das waren dann jene Momente, in denen in ihr ein unbändiger Hass gegen ihn aufstieg.
    Sie näherte sich zögernd dem Gebäudeeck und machte sich durch ein Räuspern bemerkbar. Mompach – das hatte sie oft genug erfahren müssen – war ein Choleriker, bei dem man nie wissen konnte, in welcher Stimmung man ihn antraf. »Entschuldige«, sagte sie, als er sich umdrehte. Hinter ihm stieg aus einem Haufen Glut dichter Qualm auf und raubte ihr fast den Atem.
    »Was machst du denn da?«, fuhr er sie an. Seine Silhouette hob sich vom rötlichen Schimmer der Glut ab. Er wirkte nervös.
    »Ich hab nur noch meinen Kontrollgang gemacht und Rauch gerochen«, erklärte Sandra vorsichtig, als sei sie bei etwas Verbotenem ertappt worden.
    »Gut gemacht«, lobte Mompach unerwartet freundlich und kam ein paar Schritte auf sie zu. »Auf dich kann ich mich halt verlassen. Wie immer.« Er strich ihr beinahe väterlich übers schweißnasse Haar. Sie wich kurz zurück, denn viel zu tief waren die Spuren, die seine regelmäßigen Erniedrigungen in ihrer Seele hinterlassen hatten. Ein Wechselbad der Gefühle stürzte wieder über sie herein. Eigentlich müsste sie ihn hassen. Er nutzte geschickt ihre Notlage aus, konnte jähzornig werden, wenn etwas nicht so lief, wie er es sich vorstellte, und benahm sich in Momenten wie dem jetzigen, wenn sie allein waren, als könne er über sie nach Gutsherrenart verfügen. Manchmal glaubte sie, seine Sklavin zu sein. Längst bezahlte er keine Überstunden mehr – auch nicht, wenn sie an Wochenenden eingespannt wurde. Er hatte nach und nach alle Vergünstigungen gestrichen – stets mit dem Vorwand, der Landwirtschaft gehe es von Jahr zu Jahr schlechter und sie solle froh sein, als alleinerziehende Mutter diesen Job zu haben und ordentlich sozialversichert zu sein. Dass er sie
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