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Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition)
Autoren: David G.L. Weiss
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ließ ihre schlanken Finger über die Tastatur tanzen und drückte auf »Senden«. Jetzt, freute sie sich, konnten Gabriel und Sophie wenigstens wegen dieser Ringe wieder ruhig schlafen. Mahler druckte die Email aus Wien als PDF aus und speicherte sie ab. Seit sie in Frankfurt lebte, hatte sie jede von Gabriels Emails aufgehoben. Wenn es in ihrem Leben etwas wie ein Stück Heimat in der Fremde gab, dann waren es diese Bits und Bytes.
    Mahler lächelte versonnen. Das Lächeln verschwand aber wieder, als ihr ein Student per Email mitteilte, der Termin von Josephines Sprechstunde passe dem jungen Mann gar nicht, und ob er deshalb nicht an einem anderen Tag kommen könne. »Nein«, schnaufte Mahler. »Sprechstunde ist, wenn Sprechstunde ist. Warum tut ihr euch so hart, Hierarchien zu verstehen?« Eine verbindliche Antwort war rasch gefunden.
    Die nächste junge Dame teilte Josephine in wenigen schnörkellosen Zeilen mit, dass sie ihr Referat leider nicht halten könne, weil ihr Pferd krank sei. Josephine schluckte und las die Entschuldigung noch einmal. Die Studentin schrieb tatsächlich, dass IHR PFERD krank sei und sie DESHALB nicht zum wöchentlichen Seminartermin kommen wird. Die Probleme höherer Töchter hätte sie in ihrer Studienzeit gerne gehabt! »Ihr Pferd muss ja nicht mitkommen«, tippte sie als Antwort, aber löschte die Zeile wieder. Josephine kratzte sich am Kinn und lehnte sich zurück. Sie fand es fairer, erst einmal die Lehrveranstaltung abzuwarten und zu sehen, ob die Studentin ihren fertigen Anteil an der Gruppenarbeit einer Kollegin mitgab oder ob sie noch nichts vorzuweisen hatte und darum nach einer Ausflucht suchte. Sie sollte sich langsam daran gewöhnen, bald nur noch für die Kinder besserverdienender Haushalte Lehrveranstaltungen zu halten. Die Mehrheit der Studierenden wollte eine berufsspezifische Ausbildung, keine klassische Bildung. Insbesondere jene, die für ihr Studium arbeiteten und es selbst bezahlten. Für Ethnologie inskribierten sich Mädchen und Jungs, weil es sich ihre Eltern leisten konnten. In späteren gesetzten Jahren würden sie ihr Engagement für das »Orchideenfach« als Jugendschrulle belächeln. Genau wie Josephines mittelständisch verehelichte Kommilitoninnen, deren Gespräche sich um einen kleinkinderdiktierten Tagesablauf und die Karriere ihres Mannes bei irgendeiner Bank drehten. Das war nichts für sie. Sie hatte against all odds promoviert und machte ihren schlecht bezahlten Bürokratenjob, weil sie ihre Wissenschaft liebte. O ja, das waren diese seltenen Momente, in denen Josephine es bereute, mit dem Rauchen aufgehört zu haben.
    Es klopfte an der Tür, und Josephine schreckte aus ihren Gedanken hoch. Eine Studentin trippelte wortlos in ihr Büro und setzte sich. Josephine musterte das Mädchen von oben bis unten. Ein seltener Vogel auf langen Beinen. Die Zwanzigjährige trug Jeansleggings von Your Eyes Lie , weiß mit »herzigen« Flamingos. Die rosa Vögel schnäbelten, die Hälse waren zu einem Herzmuster verschlungen. 64,95 Euro bei Zalando . Darüber trug das Mädchen das Top Rosianna in metallic von Twist & Tango – ebenfalls 64,95 – und das lässig um den Hals gewundene Becksöndergaard Tuch absolute coral um 79,95. Auf dem Blondhaar hockte die farblich auf das Ensemble abgestimmte Ray-Ban Sonnenbrille, zu dem auch noch KILLER , die High Heel Sandalette by dollybird im Farbton aiure suede gehörte. 104,95 Euro. Das Outfit gesamt: 314,80 Euro. Josephine atmete durch. Die junge Frau erschien Josephine wie ein glacierter Apfel auf einem Holzstöckchen. Mahler zog die Brauen hoch und kontrollierte die Uhr rechts unten auf dem Laptopbildschirm. Stimmt, sie hatte Sprechstunde. Josephine räusperte sich, zog sich den Rock gerade und setzte sich gegenüber dem Mädchen an den Tisch.
    Das Gespräch verlief wie Tausende andere davor und danach. Nein, Josephine könne dem Mädchen den Stundenplan nicht zusammenstellen, das müsse jede Studentin und jeder Student für sich selbst machen. Das war doch der Grund, warum man eine Universität besuchte, oder nicht? Josephine schaute erneut in ein Gesicht, bei dem Mahler die Vision einer unendlichen Tropfsteinhöhle überkam, in der irgendwo ganz weit hinten – »Plitsch« – ein Wassertropfen zu Boden fiel.
    Das Mädchen schürzte die Unterlippe wie ein Kindergartenkind, dem die Betreuerin gerade ein Spielzeug verweigert hatte. Josephine musste nicht erst an der Studentin hinunterschauen, um zu sehen, dass jetzt
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