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mach's mir: verboten (German Edition)

mach's mir: verboten (German Edition)

Titel: mach's mir: verboten (German Edition)
Autoren: Lilli Wolfram
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schüchternen Frau bestellt wurde, die von allen Amy genannt wurde. Meistens trug sie einen bodenlangen Blumenrock mit Volants, darüber eine derbe Schürze und eine Bluse, deren Ärmel sie bis zu den Ellenbogen hinaufkrempelte. Sie schlief drüben im Gesindehaus, wo sie eine kleine Kammer bezogen hatte. Einmal hatte sie Jeremy verführt, mit ihr zu schlafen. Danach hatte sie ihn nie wieder auch nur eines Blickes gewürdigt. Auch stand sie ihm nicht mehr, wie sonst, als Modell zur Verfügung.
     
    Mehrfach hatte Jeremy versucht, herauszufinden, warum sie sich so rätselhaft verhielt. Es war ein wunderbarer Liebesakt gewesen, die Bilder, die er von ihr gemalt hatte: betörend schön! Aber Amy sprach nicht mit ihm. Die rundliche Köchin meinte, Amy sei von Geburt an taub.
     
    Seither begab sich Jeremy frühmorgens lustlos mit seiner Staffelei in den Park und stellte sich dort vor das schmiedeeiserne Tor. Doch anstatt die Landschaft zu malen, ließ er seinen Blick, durch die angerosteten Gitterstäbe, über die tosende See schweifen, über der ein leichter Hauch von milchiger Gischt und salziger Luft lag.
     
    Weiter hinten im Garten wuchs ein gut zwei Meter hohes, exotisches Gewächs. Wie ein überdimensionierter Rhabarber sah die Pflanze aus. Die ausladenden Blätter standen wie mächtige Schirme in alle Richtungen ab und bildeten eine Art grüne Höhle. War man erst einmal in diesen Blätterhohlraum hineingeklettert, konnte sich sogar Jeremy wieder darin aufrichten. Hier hätte er so gerne Amy im grünen Schimmer gemalt. Dieses hauchzarte, elfenhafte Wesen im grünen Licht. Ganz und gar schutzlos. Nackt.
     
    Nun, seit ein paar Tagen, es war Anfang Juni, arbeitete Jeremy drinnen in seinem Atelier, da es draußen ununterbrochen regnete. Dicke Tropfen prasselten unerbittlich auf das Glasdach des Gewächshauses, und zwar so laut, dass er es aufgegeben hatte, sein Radio anzustellen. Er war mutlos. Die Inspiration fehlte. Durch die matten, gewellten Scheiben sah er draußen Amy im gelben Regencape, wie sie sich emsig durch die grünen Reihen der Gemüsebeete bewegte und Unkraut jätete. Sie war unermüdlich. Die Pflanzen schienen Amys Leben zu sein. Sie hegte und pflegte die jungen Knospen, sah nach ihnen und manchmal, das hatte Jeremy eines Morgens vernommen, hatte sie sogar den Tomatenstauden etwas vorgesummt. Ein altes schottisches Volkslied, das von der Seefahrt handelte.
     
    Sehnsüchtig blickte Jeremy durch die verwaschenen Scheiben zur anmutigen Gärtnerin hinaus und wusste mit einem Mal, dass dort draußen sein Meisterwerk, im gelben Regencape, zwischen den Beeten Unkraut jätete. Und er es sich von ihr nicht länger bieten ließ, so übel ignoriert zu werden. Jetzt würde er aber mal ein ernstes Wörtchen mit ihr reden. Eilig, voller Aufregung, warf er sich eine alte Pferdecke über und rannte hinaus in den Regen, über die feuchten Erdwege, sprang über eine Rabatte und landete neben Amy: „Ich“, keuchte er, während ihm die Regentropfen von der Nase perlten, „ich will dich malen, Amy! Und ich dulde keinen Widerspruch! Hast Du mich verstanden?!“
     
    Erschrocken und gleichzeitig erstaunt blickte Amy auf. Ihre hellen Wangen waren ganz rosig, ihr rötliches Haar klebte ihr in Strähnen auf der Stirn und schlängelte sich den Hals hinunter. Ihre Augen waren vom schönsten Smaragdgrün, dem gleichen wunderbaren Grün wie die seltene Pflanze, dort unten im Park. Und in diesem Moment sah Jeremy alles vor sich: Sein Werk! Er würde es erschaffen, das Bild, von dem er, seit er ein junger Mann war, träumte. „Komm!“ Entschlossen griff er nach Amys Hand. Sie leistete keine Gegenwehr, guckte nur erstaunt. „Komm!“, sagte er noch mal, wobei sein Herz bei ihrer Anmut schmolz. Er zog sie mit sich schmalen Wege an den Beeten entlang, rüber zum Gewächshaus, dort holte er seine Leinwand, Bleistift und Pinsel. All das schlug er in die Pferdecke ein, um nichts davon unterwegs zu verlieren und zerrte die junge Frau hinter sich her, aus dem Gemüsegarten, durch die kleine Pforte in der Hecke, den Kiesweg hinunter zur riesigen Pflanze.
     
    Unter dem Blätterdach war es grün, über Jeremy und Amy tropfte und prasselte es, doch nur ein paar dicke Tropfen schafften es, sich einen Weg nach drinnen zu bahnen und sich an den dicken Stängeln abzuseilen. Jeremy ließ das Bündel mit der Leinwand und den Pinseln auf den Sandboden fallen und strahlte Amy begeistert an: „Ich will dich malen, ja?“ Doch anstatt zu
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