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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition)
Autoren: Moritz Netenjakob
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meinen Tisch.
    »Twantziss Öro.«
    Ich sehne mich nach dem Gespräch übers Wetter zurück. Ich glaube, wenn mir nicht irgendwann jemand zu Hilfe kommt, werde ich den Rest meines Lebens mit dieser Frau verbringen und feilschen. Gut, manche Ehe funktioniert auch nicht anders. Aber ich bin doch ein Romantiker.
    »Entschuldigung, verstehen Sie mich?«
    »Ja.«
    »Also: Ich möchte keine Rosen kaufen, okay?! Nicht eine, nicht zwei, nicht alle – gar keine. Nicht jetzt, nicht später, nie! Haben Sie das verstanden?«
    »Ja.«
    »Gut, dann sind wir uns ja einig. Schönen Abend noch.«
    Die Frau nickt. Ich atme tief durch. Die Frau geht nicht.
    »Zwoll Öro fönza.«
    »Nein.«
    »Ell Öro.«
    »No.«
    »Neu Öro fönza.«
    »No. No. No.«
    Ich schiebe ihr die Rosen wieder hin. Jetzt fängt die Frau auf Türkisch an zu schimpfen. Es ist wahrscheinlich besser, dass ich sie nicht verstehe. Sie steigert sich in einen regelrechten Wutanfall. Der Kellner und die drei weiteren Gäste schauen mich kopfschüttelnd an. Als die Frau gerade anfängt, mich mit einer Rose auf den Kopf zu schlagen, erscheint Aylin!
    Es ist wirklich unglaublich schwer, cool und männlich zu wirken, wenn einen gerade eine zahnlose kleine Oma laut schimpfend mit einer Rose verprügelt. Als sie merkt, dass Aylin sich an meinen Tisch setzt, nimmt die Oma ihre Rosen, sagt einen Satz zu Aylin und geht weiter.
    »Was hat sie gesagt?«
    »Sie meinte, sie an meiner Stelle würde den Abend nicht mit so einem arroganten, geizigen Arschloch wie dir verbringen.«
    »Ah.«
    Na ja. Arschloch ist okay. Hauptsache, sie hat nicht Nazi gesagt. Ich schaue auf die Uhr. Aylin ist jetzt 30 Sekunden hier, also war sie exakt 72 Minuten und 23 Sekunden zu spät. Bin ich sauer? Ich gucke sie an. Nein, ich bin nicht sauer.
    »Daniel, willst du wissen, was du falsch gemacht hast?«
    »Ja klar.«
    »Dann schau dir das an.«
    Aylin deutet zwei Tische weiter, wo die Oma gerade einem Mann die Blumen anbietet. Dieser schaut nicht von seiner Zeitung hoch, macht eine Handbewegung, als würde er eine lästige Fliege verscheuchen, und betont das türkische ›Nein‹, also ›Hayir‹, so, dass es sich etwa wie ein gegrunztes ›Wuäääää‹ anhört. Es erinnert mich ein wenig an die Sprache der Orks in Herr der Ringe. Und was passiert? Die Oma nickt lächelnd und geht weiter. Ich bin fassungslos: Ich bin höflich und werde für ein arrogantes Arschloch gehalten – der Typ verhält sich wie ein arrogantes Arschloch und wird dafür noch belohnt.
    »Du hast sie angelächelt, stimmt's?«
    »Ja.«
    »Das ist für sie das Zeichen, dass du nicht abgeneigt bist. Wenn deine Augen ›Ja‹ sagen, kannst du mit dem Mund tausendmal ›Nein‹ sagen – das zählt dann nicht mehr. Mimik und Körpersprache sind für uns wichtiger als Worte.«
    »Aber der Mann hat sie nicht mal angeguckt.«
    »Genau so funktioniert's.«
    »Aber er war unglaublich grob zu ihr.«
    »Sie ist Zigeunerin. Sie ist das so gewohnt.«
    »Willst du sagen: Wenn ich mich hier kulturell integrieren will, muss ich erst mal lernen, Ausländer schlecht zu behandeln?«
    Aylin lacht. Dieses Lachen ist wie ein Schalter, der sofort alle anderen Großhirn-Windows schließt und nur noch das Fenster Aylin auflässt.
    »So, jetzt kannst du trainieren.«
    Ich verstehe zunächst nicht, was Aylin meint. Dann sehe ich, dass sich eine weitere Rosenverkäuferin unserem Tisch nähert. Ich will sie angucken, aber Aylin stoppt mich.
    »Wenn du sie anguckst, hast du schon verloren!«
    Ich rufe mir die Szene vom Nachbartisch ins Gedächtnis, nehme allen Mut zusammen und mache eine Handbewegung, als würde ich eine Fliege verscheuchen. Durch meine Unsicherheit wird die Handbewegung aber etwas weicher als gewollt. Ich kann nicht ausschließen, dass es ein klein wenig schwul wirkt. Aylin muss auf jeden Fall ein Lachen unterdrücken. So, jetzt kommt der schwierige Teil – das unfreundlich gegrunzte ›Hayir‹.
    »Haäyı...«
    Das war für meine Verhältnisse schon sehr unhöflich. In Deutschland wäre jetzt wahrscheinlich schon irgendein Sozialpädagoge zu mir gekommen und hätte mich gefragt, ob ich denn nichts aus der Geschichte gelernt hätte. Aber aus dem Augenwinkel kann ich beobachten, dass die Rosenverkäuferin noch da steht. Aylin lächelt.
    »Das war nicht schlecht fürs erste Mal. Aber du musst noch viel härter sein!«
    »Wuääääääääääh!«
    Und siehe da: Die Blumenverkäuferin nickt und zieht weiter. Yes! Sechs Soldaten zu
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