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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition)
Autoren: Moritz Netenjakob
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80 statt mit 100 km/h frontal zusammenstoßen würde – und auch das nur, wenn der entgegenkommende Fahrer anders als in der Türkei üblich die Stereoanlage nicht bis zum Anschlag aufgedreht hätte. Ich klammere mich mit letzter Kraft am Sitz fest. Aylin beobachtet mich amüsiert.
    »Du bist süß, echt.«
    »Süß? Ich habe Angst um mein Leben.«
    »Genau das finde ich doch süß.«
    »Hä?«
    »Kein türkischer Mann würde zugeben, dass er Angst hat. Er würde immer noch so tun, als hätte er alles im Griff.«
    »Interessant. Und wie verbirgt er seinen Angstschweiß? Ich meine, wenn ich weiter so schwitze, siedeln sich Algen auf mir an.«
    Aylin lacht. Doch das nehme ich nur akustisch wahr, denn meine Augen sind starr nach vorne gerichtet: Der Busfahrer steuert gerade mit Vollgas auf einen Abhang zu. Ach du Scheiße! Gibt es Selbstmord-Attentäter, die mit Minibussen in Badebuchten fliegen? Als ich gerade mit meinem Leben abschließe, reißt der Fahrer im letzten Moment das Steuer rum.
    Wie kann Aylin bei diesem Höllenritt nur so locker bleiben? Sie scheint meine Gedanken zu erraten:
    »Mach dir keine Sorgen. So fahren hier alle.«
    »Alle???«
    »Ja. Im türkischen Straßenverkehr gibt es nur eine Regel: Es gibt keine Regel.«
    Wie zum Beweis brettert unser Dolmus gerade mit 100 km/h durch eine geschlossene Ortschaft. Mehrere Ziegen, Hühner und Hunde retten sich in letzter Sekunde, während zwei Opas mit Strickmützen, an denen der Bus mit einer Entfernung von maximal fünf Zentimetern vorbeidonnert, ungerührt weiter Wasserpfeife rauchen. Was soll man sich auch groß darüber aufregen, wenn ein Wahnsinniger einen um ein Haar totfährt?! Die Ampel und das 30 km/h-Schild am Ortseingang sind ohnehin nur Dekoration, falls sich zufällig mal ein EU-Kommissar ins Dorf verirrt.
     
    Etwa drei Kilometer hinter dem Dorf macht der Fahrer ohne Vorwarnung eine Harakiri-Vollbremsung, die ich wie durch ein Wunder ohne mehrfachen Rippenbruch überlebe. Was ist passiert? Spielende Kinder? Ein Erdloch? Dinosaurier? Weit gefehlt! Die Ursache für diesen waghalsigen Stunt war ... eine Haltestelle. Wir stehen auf und verlassen diese Todeskutsche, gegen die sich jede Achterbahn wie ein Kinderkarussell anfühlt. Während ich – noch unter Schock und am ganzen Körper zitternd – die letzte Stufe nehme, fährt der Fahrer mit Vollgas und quietschenden Reifen weiter, sodass ich als Zugabe auch noch auf dem Boden lande.
    Aylin nimmt mich an der Hand (noch ein Zeichen!) und zieht mich auf einen kleinen Weg, der durch einen Kiefernwald führt. Es sind diese Mittelmeerkiefern, die einem sofort das Gefühl geben, im Urlaub zu sein. Vielleicht haben wir die in ein paar Jahren auch in Deutschland?! Der Klimawandel hat nicht nur negative Seiten. Nach fünf Minuten Fußmarsch stehen wir an einer kleinen Bucht, die links und rechts von Felswänden eingerahmt ist. Der weiße Sandstrand fällt flach ins Meer ab und vermischt sich dort mit dem Wasser zu dem kräftigen Türkis, das ich bisher nur vom Malediven-Bildschirmhintergrund meines Laptops kannte. Außer Aylin und mir ist niemand hier. Ich bin beeindruckt: eine Idylle.
    »Hier ist eine Kaserne in der Nähe. Deshalb dürfen sie hier keine Hotels bauen. Keine Hotels – keine Touristen.«
    Da soll noch mal einer was gegen das türkische Militär sagen ... Während ich kurz darüber nachdenke, ob es nicht unmoralisch ist, wenn man als Kriegsdienstverweigerer derart vom Militärprofixiert, zieht sich Aylin aus und steht im Bikini vor mir. Ich versuche, nicht so geil zu wirken, wie ich es tatsächlich bin. Deshalb konzentriere ich mich, während ich mich ebenfalls entkleide, auf die Schönheit der Landschaft und werfe nur ein paar verstohlene Seitenblicke auf meine Traumfrau. Ist das nicht eigentlich ziemlich verlogen? Sind in Wirklichkeit nicht die Machos ehrlicher, die jetzt sagen würden: »Ey, du siehst unglaublich geil aus – ich will dich flachlegen, und zwar hier und sofort«?!
    »Daniel, soll ich dich eincremen?«
    Mein Mund ist zu trocken, um diese Frage zu beantworten. Aber immerhin bin ich noch nicht so verkrampft, dass ich nicht mehr nicken kann.
    »Okay, dann leg dich auf den Bauch.«
    Ich lege mich auf den Bauch. Was zu einem der schönsten Momente meines Lebens werden könnte, wird zur Tortur – weil ich nur einen einzigen Gedanken habe: Ich darf jetzt keine Erektion kriegen, denn gleich muss ich mich wieder auf den Rücken drehen. Also versuche ich, an erektionsverhindernde
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