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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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in Gedanken über die Pyjamas, die sie nicht anzogen, die er – wie konnte er nur? – vergessen hatte, obwohl ich ihn doch daran erinnert hatte, aber eben: Wenn man nicht alles selber macht …
    Eben! Du willst ja nicht alles selber machen, besann ich mich, während ich mich gedanklich im Hamsterrad des mütterlichen Kontrollwahns drehte, gab den Kindern einen Gutenachtkuss und schwieg bei einer Tasse Beruhigungstee. Ich habe die Nase nämlich gestrichen voll vom weitverbreiteten Schema: Mutter motzt und Vater trotzt. Ich weiß, dass ich nicht wesentliche, gleichanteilige Mitarbeit im Haushalt einfordern kann, ohne die Hoheit darüber abzutreten. Beim Kühlschrank fiel mir das leicht. Auch die Kontrolle über den Putzschrank teile ich liebend gerne. Aber der Kleiderschrank meiner Töchter blieb unter Verschluss. Um die kindliche Ausstattung hatte ich eine Mauer aufgerichtet, wie einst die DDR in Berlin, und genau wie Walter Ulbricht leugnete ich ihre Existenz. Warum bloß?
    An den väterlichen Kompetenzen kann das nicht liegen. Es ist lächerlich anzunehmen, dass er zwar für sich selber, nicht aber für seine Kinder Schuhe kaufen oder Koffer packen kann. Niemals käme es mir in den Sinn, ihn an das Falls-wir-ausgehen-Hemd zu erinnern. Es ist mir sogar wurscht, wenn er nichts Passendes dabeihat, wenn wir dann ausgehen. Bei meinen Töchtern aber bringt mich schon eine suboptimale Farbkombination aus dem Gleichgewicht. Da muss was anderes dahinterstecken.
    Es war die Soziologin Arlie Hochschild, die im kalifornischen Berkeley lehrt und in den siebziger Jahren den Begriff «Emotionsarbeit» prägte, die mir die Augen öffnete für die Symbolik, mit der ein Kinderschuh aufgeladen werden kann. Ich las ihr neustes Buch The Commercialisation of Intimate Life, während ich Tee trank und den Mund hielt. Darin stellt sie die These auf, dass mit der weiblichen Emanzipation von der traditionellen Mutterrolle und der Kommerzialisierung der Erziehungs- und Pflegearbeit in den letzten Jahrzehnten eine ideologische Überhöhung sogenannter mütterlicher Qualitäten einhergegangen sei. Aufzucht und Pflege werden outgesourct, Fürsorge und Mutterliebe hochgejubelt. In diesem Spannungsverhältnis würden dann gewisse Betreuungsakte hypersymbolisiert, also enorm aufgeladen.
    Die Kleider und Schuhe meiner Töchter stehen, so glaubt Hochschild, für meine Fürsorge. Und ich lege deshalb so viel Wert auf die Hoheit darüber, weil ich mit der wärmenden Hülle symbolisch all das kompensiere, was ich als berufstätige Mutter meinen Kindern an Wärme nicht zu geben glaube. So ein Blödsinn, dachte ich zuerst. Da steh ich doch längst drüber. Dann überlegte ich mir, wo ich sonst noch meinem Kontrollwahn erliege und erkannte das Muster: Geburtstagsparty (Kompensation der verpassten Zeit mit den Kindern), Adventskalender (Kompensation für nicht existierende Bastel- und Backaktionen), Kinderzimmereinrichtung (Kompensation für meine Abwesenheit im Nest).
    Letzte Woche kauften meine Töchter mit ihrem Vater Schuhe. Sie passen, sind praktisch und hässlich. Aber ich lerne gerade damit zu leben. Ein Schuh ist ein Schuh ist ein Schuh, oder? Mein Mann übrigens bestellte mir via Internet gleichentags die gesammelten Werke von Arlie Hochschild.
Der Spagat
    Zen oder die Kunst, eine berufstätige Mutter zu sein (M. B.)
    Ich habe ein reiches Leben. Ich schreibe viel, ich lese viel. Und Letzteres inspiriert mich zuweilen so sehr, dass ich darüber schreiben muss. Neulich stieß ich während der Arbeit auf Textpassagen – wie man im Asphalt zuweilen ein Blümchen entdeckt –, die wie für mich geschrieben schienen. Bei der Heimreise von der Arbeit las ich Zeiten des Aufruhrs von Richard Yates. In diesem Roman aus den Sechzigern taucht eine nervige Nachbarin auf, die Immobilienmaklerin Miss Givings, die einen erwachsenen Sohn in der Irrenanstalt und einen tauben Mann hat. An einer Stelle denkt sie darüber nach, warum sie trotz Mutterschaft ihren Job nie aufgeben wollte.
    «Die Sachzwänge, die Betriebsamkeit und das grelle Licht des Büros, das eilige, auf dem Tablett servierte Mittagessen, das flotte Arbeiten mit Schriftstücken und Telefon, die Erschöpfung nach den Überstunden und die endgültige Erleichterung, wenn sie abends die Schuhe abstreifte (…) dies alles gab ihr die Kraft für die Zwänge der Ehe und des Mutterseins. Ohne dies alles hätte sie längst den Verstand verloren, dachte sie.»
    Genauso ist es, dachte ich. Als berufstätige
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