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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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ohne die Augen vom Bildschirm zu lösen, und schob, mit unschlagbar mütterlichem Timing exakt bevor die Tür ins Schloss fiel, nach: «Passisch uuf, gäll, Schätzli!»
    Gottlob hat der Mann Frau und Kind zu Hause und offenbar auch eine rudimentäre Vorstellung von mütterlicher Amnesie, jedenfalls schaute er nochmals herein, zog bloß eine Augenbraue hoch und empfahl mir, doch besser auch bald nach Hause zu gehen. Das tat ich. Gestern war nämlich einer dieser Tage, an denen ich zwar im Büro saß, meine Gedanken aber irgendwo zwischen Frühstückstisch und Znünieinpacken hängengeblieben sind. Während ich also versuchte zu arbeiten, wälzten sie sich schwerfällig durch die mütterlichen Hirnwindungen wie betagte Frauen durch den Einkaufsladen, pickten da eine Erinnerung aus dem Gestell und dort eine Sorge aus der Tiefkühltruhe, drehten und wendeten sie ein bisschen, um sie dann doch liegen zu lassen.
    Man muss sich das etwa so vorstellen: Beim Telefonieren mit dem Chefredakteur hatte ich gerade eine visuelle Eingebung, was den diesjährigen Adventskalender betraf. Während der Recherche für einen Artikel kochte ich im Kopf aus den Resten im Kühlschrank das Abendessen. Und auf dem Heimweg musste ich mich richtig zusammenreißen, um nicht dem Impuls nachzugeben, auf dem Fußgängerstreifen wildfremde Erwachsene bei der Hand zu nehmen und ans «Luege, Lose, Laufe» zu erinnern. An solchen Tagen gelingen keine großen Würfe, nein, aber im Bett wundert man sich trotzdem, dass der Autopilot doch so gut funktioniert, dass man Sachen erledigt hat, ohne eigentlich dabei zu sein.
    Umgekehrt aber funktioniert die abwesende Anwesenheit überhaupt nicht. Wenn der Kopf also im Büro ist, und man selber zu Hause, geht gar nichts mehr. Die Sensibilität des Nachwuchses gegenüber Autopiloten darf nicht überschätzt werden. Das kindliche Mitteilungsbedürfnis lässt sich nicht einfach auf später verschieben wie eine Mail. Oder auf ein Nebengleis umleiten wie ein ungelegener Anruf. Denn in der Kinderwelt regiert das Hier und Jetzt, und das ist gnadenlos. Ein abwesendes, aber begeistertes «Ja!» kommt beim Chef meistens gut, der Nachwuchs hingegen enttarnt es subito als das, was es ist: kommunikatives Stillstellen.
    Das Kind zieht sich zurück, was das schlechte Gewissen auf den Plan ruft. Das wiederum ignoriert, ganz der rücksichtslose Raser, sämtliche Rotlichter und Vortrittsregeln und verursacht innert Kürze eine Gedankenmassenkarambolage im mütterlichen Hirn. Diese aber führt dann zu den Tagen, an denen man sich abends fragt, ob man nicht besser doch nur Tante geworden wäre statt Mutter.
     
    Die Work-Life-Balance-Lüge (M. B.)
    Ach, wie klarsichtig Kinder doch zuweilen sein können. Jüngst belauschte ich meine, wie sie am Tisch beim «Pöpperlen» saßen, einem Spiel, bei dem es darum geht, wahre von falschen Behauptungen zu unterscheiden. Der Sohn sagte: «Pöpperle, pöpperle, Mama ist immer gestresst» – und beide Kinder akzeptierten das ohne weitere Diskussionen als wahr. Ich schenkte mir einen Schnaps ein und dachte den ganzen Abend darüber nach, wie meine Work-Life-Balance so schief herauskommen konnte.
    Die Frage ist aber, was denn die vielgerühmte Work-Life-Balance sein soll. Populär geworden in der Epoche, da die ganze Welt am Rubik-Würfel herumtüftelte, erfreut sich der Begriff heute ungebrochener Popularität. Unzählige Artikel und Ratgeber versuchen zu vermitteln, wie zwecks Stressreduktion ein Ausgleich zwischen Leben und Arbeit gefunden werden soll. Wie Familie und Erwerbsleben kompatibel gemacht und die Arbeit zwischen den Geschlechtern gerechter aufgeteilt werden kann. Das Versprechen lautet: Wenn du nur richtig jonglierst, kannst du den ersehnten Zustand absoluter Ausgeglichenheit erreichen. Es ist eine Botschaft, die uns bekannt vorkommt: Streng dich gefälligst ein bisschen mehr an, dann wirst du es auch schaffen. Aber das ist eine Lüge. Der Deal lautet ganz anders: Wer mehr will, hat auch mehr Stress. Wer Familie und Beruf will, auf den wartet eine schier übermenschliche Aufgabe, der rudert in einem Boot, das leckgeschlagen ist und ständig geschöpft werden muss. Glück hat in gewisser Hinsicht, wer seinen Job flexibel gestalten kann, denn das macht das Jonglieren einfacher. Wenn auch nicht weniger anstrengend.
    Soziologen warnen heute davor, dass flexible Familien in flexiblen Arbeitswelten oft ausbrennen. Das haben das deutsche Jugendinstitut und die Uni Chemnitz in einer Studie
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