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Machen Sie das Beste aus Ihrem Kopf

Machen Sie das Beste aus Ihrem Kopf

Titel: Machen Sie das Beste aus Ihrem Kopf
Autoren: Julitta Roessler
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Anforderungen gleichzeitig beeinträchtigen eben unsere Merkfähigkeit.
    Eine gute Unterstützung für das auf die Zukunft ausgerichtete Erinnerungsvermögen sind Gedächtnishilfen. Das kann der altbewährte Merkzettel sein oder eine elektronische Erinnerungsfunktion auf dem Handy oder dem Computer. Wichtig ist nur, dass die Merkhilfen wirkungsvoll eingesetzt werden. Sie müssen alle nötigen Informationen enthalten. Der Knoten im Taschentuch genügt diesem Anspruch sicher nicht. Des Weiteren müssen sie genau dann verfügbar sein, wenn wir eine bestimmte Handlung ausführen wollen. Es reicht also nicht, sich einen Zettel in die Hosentasche zu stecken. Wir müssen auch dafür sorgen, dass er zum richtigen Zeitpunkt wieder herausgenommen wird. Besser ist es, wenn wir uns Zettel oder benötigte Unterlagen direkt dort hinlegen, wo wir zum Zeitpunkt der zukünftigen Handlung sein werden. Außerdem sollten es nicht zu viele Gedächtnisstützen auf einmal sein. Dann helfen sie nicht mehr. Auch hier gilt: Weniger ist mehr. 2

    Schauen wir uns genauer an, wie neue Informationen in das Gedächtnis eingespeichert werden. Die ersten experimentellen Forschungen hierzu wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts von dem Psychologen Herrmann Ebbinghaus vorgenommen. Es gelang ihm, zwei Grundprinzipien der Merkleistung zu entdecken. Erstens konnte er zeigen, dass Erinnerungen unterschiedliche Lebensdauer haben. Einige verblassen bereits nach Minuten, andere bleiben sehr viel länger erhalten und manche vergessen wir nie. Zweitens stellte er fest, dass Erinnerungen nach Wiederholung länger im Gedächtnis haften bleiben. 3 »Übung macht den Meister«, dieses alte Sprichwort hat also seine Berechtigung. Zahlreiche Erkenntnisse zum Gedächtnis und wie es funktioniert, wurden am Beispiel von Patienten mit Hirnverletzungen gewonnen. Ein berühmter undhäufig zitierter Fall ist der Patient H. M. An seinem Fall konnte nachgewiesen werden, dass der Hippocampus, das beidseitig vorhandene Hirnareal in den Schläfen- beziehungsweise Temporallappen, von entscheidender Bedeutung für das bewusste und dauerhafte Behalten ist. Der Patient H. M. litt als Folge eines Unfalls an einer schweren Epilepsie. Im Alter von 27 Jahren waren die Beeinträchtigungen so stark, dass er sich zu einer Operation entschied, bei der die Innenseiten des Temporallappens einschließlich des Hippocampus entfernt wurden. Dadurch linderten sich die epileptischen Anfälle deutlich. Gleichzeitig trat aber ein fataler Gedächtnisverlust auf. H. M. konnte sich an nichts länger als ein paar Minuten erinnern. Erinnerungen bis zum Zeitpunkt des Eingriffs waren nach wie vor abrufbar. Neue dauerhafte Erinnerungen konnten aber nicht gebildet werden. H. M. war durchaus in der Lage, ein Gespräch zu führen, sofern es nicht zu lange dauerte und nicht zu viele unterschiedliche Themen angeschnitten wurden. Er verfügte nachweislich über eine durchschnittliche Intelligenz. Sein kurzzeitiges Erinnern funktionierte sehr gut. Alles, was er erlebte, vergaß er allerdings in dem Moment, wo seine Aufmerksamkeit von neuen Ereignissen gefordert wurde. Dauerhaftes Erinnern war ihm nicht mehr möglich. Menschen, die sich um ihn kümmerten und die er nicht aus der Vergangenheit kannte, waren bei jedem Zusammentreffen wieder Fremde für ihn. Hatte er etwas gegessen, so wusste er unmittelbar nach der Mahlzeit nicht mehr, was er gegessen hatte. Er wusste nicht einmal mehr, dass er überhaupt gegessen hatte. Mit der Zeit erkannte er sich selber nicht mehr im Spiegel. Aufgrund seiner Veränderungen über die Jahre war er sich selbst fremd geworden. Das Spiegelbild passte nicht mehr zu seinen Erinnerungen an sich selbst. Für die Gedächtnisforschung ergaben sich einige bahnbrechende Erkenntnisseaus diesem tragischen Fall. Die Fähigkeit, neue und dauerhafte Erinnerungen zu bilden, ist eine eigene Funktion, die im Schläfenlappen lokalisiert ist. Diese Region ist für kurzzeitiges Erinnern offenbar nicht von Bedeutung, anscheinend aber für die Überführung von kurzzeitigen Gedächtnisinhalten in langfristige. Da sich H. M. an Ereignisse aus seiner Zeit vor dem Eingriff erinnern konnte, kann das operativ entfernte Areal nicht der Speicherort für langfristige Erinnerungen sein. Die bereits früher von anderen Forschern angenommene Aufteilung des Gedächtnisses in ein Kurzzeitgedächtnis und ein Langzeitgedächtnis war nun ebenfalls bestätigt. 4

    Offenbar gibt es kein Gedächtniszentrum im Gehirn.
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