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MacBest

Titel: MacBest
Autoren: Terry Pratchett
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das war der zentrale Punkt. Niemand wollte ihn als König, nicht direkt ihn.
    Ich bin nur das kleinere Übel, dachte Tomjon betrübt.
    Gold wird nicht stumpf, zumindest nicht in physischer Hinsicht, aber er glaubte eine ungewöhnliche Tiefe im Glanz des Metallbands zu fühlen, das er in den Händen hielt. Die Krone hatte auf zu vielen besorgten Häuptern gesessen. Wenn man sie ans Ohr hielt, hörte man die Schreie.
    Nach einer Weile merkte er, daß ihn jemand ansah. Der Blick schien die gleiche Wirkung auf ihn zu entfalten wie eine Lötlampe auf ein Eis am Stiel. Er sah auf.
    Es war die dritte Hexe, die junge – die jüngste mit den ausdrucksstarken Zügen und der Hecken-Frisur. Sie saß neben dem ehemaligen Narren, als schulde sie ihm kontrollierendes Interesse.
    Sie musterte ihn mit intensiver Aufmerksamkeit. Ihre Augen schienen sich in Greifzirkel zu verwandeln, die ihn vom Nacken bis zur Nase erfaßten. Tomjon schenkte ihr ein tapferes Lächeln, das sie übersah. So wie alle anderen, dachte er.
    Nur der Narr nahm ihn zur Kenntnis, erwiderte das Lächeln mit einem entschuldigenden Grinsen und einem verschwörerischen Wink, der folgende Botschaft übermittelte: »Was tun zwei vernünftige Männer wie wir an diesem Ort?« Die junge Frau sah ihn nach wie vor an, neigte den Kopf von einer Seite zur anderen und kniff die Augen zusammen. Ihr Blick huschte nun zwischen dem Narren und Tomjon hin und her. Schließlich wandte sie sich an die älteste Hexe, die einzige Person im heißen feuchten Zimmer, die sich irgendwie einen Krug Bier besorgt hatte. Sie flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    Die beiden Hexen begannen ein temperamentvolles geflüstertes Gespräch. Es handelte sich um eine typisch weibliche Form der Unterhaltung, fand Tomjon. Normalerweise fand sie auf einer Türschwelle statt, und alle Teilnehmer verschränkten dabei die Arme; wenn jemand so unhöflich war, an ihnen vorbeizugehen, so schwiegen sie plötzlich und warteten stumm, bis der Betreffende außer Hörweite geriet.
    Schließlich stellte er fest, daß Oma Wetterwachs schwieg und ihn alle Anwesenden erwartungsvoll beobachteten.
    »Hallo?« sagte er.
    »Ich halte es für eine gute Idee, die Krönung morgen stattfinden zu lassen«, verkündete Oma. »Es ist nicht gut für ein Königreich, ohne Monarchen zu sein. So etwas gefällt ihm nicht.«
    Sie stand auf, schob den Stuhl zurück, trat näher und ergriff Tomjons Hand. Er folgte ihr gehorsam über die Steinplatten zu den Stufen, die zum Thron führten. Dort legte ihm Oma Wetterwachs ihre Hände auf die Schultern und drückte ihn sanft in die Plüschkissen.
    Sitzbänke und Stühle kratzten über den Boden. Tomjon sah sich panikerfüllt um.
    »Was passiert jetzt?« fragte er.
    »Sei unbesorgt«, erwiderte Oma fest. »Jetzt kommen alle, um dir Treue zu schwören. Du nickst einfach nur würdevoll und fragst, welchem Beruf sie nachgehen und ob sie Gefallen daran finden. Oh, und du solltest ihnen die Krone zurückgeben.«
    Tomjon nahm sie rasch ab.
    »Warum?« erkundigte er sich.
    »Sie möchten sie dir geben.«
    »Aber ich habe sie doch schon«, sagte Tomjon verzweifelt.
    Oma seufzte geduldig.
    »Nur in einem Dingsbums, realen Sinne«, erklärte sie. »Aber jetzt muß eine Zeremonie erfolgen.«
    »Etwas Unreales, meinst du?«
    »Ja«, gestand Oma Wetterwachs ein. »Aber es ist noch weitaus wichtiger.«
    Tomjon umfaßte die Armlehnen des Throns.
    »Hol mir Hwel«, brummte er.
    »Nein, du mußt es allein hinter dich bringen. So verlangt es die, äh, Tradition, weißt du. Zuerst …«
    »Ich sagte: Hol mir den Zwerg. Hast du mich nicht gehört, Frau?« Diesmal sprach Tomjon genau im richtigen Tonfall, aber Oma Wetterwachs erholte sich schnell von ihrer Überraschung.
    »Ich glaube, dir ist nicht ganz klar, mit wem du redest, junger Mann«, hielt sie ihm entgegen.
    Tomjon stemmte sich in die Höhe. Er hatte viele Könige gespielt, und die meisten von ihnen gehörten nicht zu der Sorte, die irgendwelchen Leuten freundlich die Hände schüttelte und sie fragte, ob sie ihre Arbeit mochten. Es waren vielmehr Könige, die ihre Untertanen um fünf Uhr an einem kalten Morgen in die Schlacht schickten und sie davon überzeugten, das sei besser, als im Bett zu bleiben. Er spielte sie nun alle gleichzeitig und ließ Oma Wetterwachs die volle Wucht von königlicher Arroganz und blaublütigem Stolz spüren.
    »Wir sprechen hier mit jemandem, der sich zu fügen hat«, sagte er. »Führe nun den Befehl aus.«
    Einige Sekunden lang
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