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Macabros 109: Vontox - Der Magier aus Lemuria

Macabros 109: Vontox - Der Magier aus Lemuria

Titel: Macabros 109: Vontox - Der Magier aus Lemuria
Autoren: Dan Shocker
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Fähigkeit, etwas zu riskieren. Nein, ich
kümmere mich um gar nichts mehr. Die paar Jahre, die ich noch zu
leben habe, genieße ich. Ich tu mal all das, wofür ich
früher keine Zeit hatte. Ich gehe viel spazieren, lese, besuche
alte Freunde oder lade sie zu mir ein. So, wie dich zum Beispiel,
Claude…«
    Die Stimme kam näher.
    Henri Grandes Geist, der körperlos durch die Luft schwebte
wie ein Hauch und dennoch mit allen Sinnen reagierte, wollte nicht
wahrhaben, was er sah und hörte.
    Zwei Dinge waren es, die ihn verwirrten und ratlos machten.
    Die Jahreszeit stimmte nicht – es war Sommer und nicht
Herbst. Aber die Blätter hatten sich verfärbt und
fielen…
    Und die Stimme, die er hörte, war die seines Vaters.
    Der aber war vor einem knappen Jahr gestorben…
     
    *
     
    Er kam aus den Überraschungen nicht mehr heraus.
    Er war erregt und konnte keine Erklärung für all das
finden. Die Dinge überstürzten sich, Zeit und Raum waren
für einen vom Körper losgelösten Geist offensichtlich
bedeutungslos.
    Und bedeutungslos wurde merkwürdigerweise jetzt auch das, was
noch für ihn lebte. Lorette zum Beispiel. Er merkte, wie er sich
von ihr löste, wie seine Gedanken abschweiften, obwohl er seine
Frau innig liebte.
    Er begriff, daß die Zeit der Trennung gekommen war. Er
mußte Abschied nehmen von ihr. Dies schmerzte, doch der Schmerz
und die Sehnsucht ließen schon nach. Er löste sich von
dieser Welt und ging mehr und mehr in die andere ein, die ihre
Rätsel und Geheimnisse hatte. Er war praktisch in ein anderes
Dasein hineingeboren worden. Eins ging zu Ende, das andere
begann…
    Er tauchte an der Stelle auf, von der er die Stimme gehört
hatte.
    Und dann sah er seinen Vater.
    Groß, dunkelhaarig, nur die Schläfen waren leicht
angegraut. Ein Mann Ende vierzig, der aber jünger wirkte.
    Er war braungebrannt, ging aufrecht, auch wenn er aus Angewohnheit
seit Jahren schon einen Spazierstock benutzte.
    Der alte Herr des ›Chateau Pasteur‹ überquerte den
belaubten Rasen. An der Seite des Mannes ging ein zweiter.
    ›Onkel Claude!‹ reagierte Henri Grandes Bewußtsein
überrascht.
    Er trug einen altmodischen, karierten Anzug.
    Henri Grande konnte sich nicht erinnern, Claude jemals anders als
in karierten Anzügen gesehen zu haben. Das hatte ihm den
Spitznamen, ›Sherlock Holmes‹ eingebracht. Onkel Claude
liebte karierte Anzüge mit Hosen, die unterhalb der Knie
endeten, sogenannten ›Knickerbockern‹…
    Herbst letzten Jahres! Wie ein elektrischer Impuls ging es durch
Henri Grandes Bewußtsein:
    Besuch von Onkel Claude. Sein letzter. Drei Wochen nach diesem
schönen Herbsttag entdeckte man bei Philipe Grande die
tödliche Krankheit. Eine Operation war nicht mehr möglich.
Man schickte ihn nach Hause und sagte ihm die Wahrheit. Philipe
Grande ertrug sie mit Würde wie alles bisher in seinem Leben. Er
kämpfte gegen die Krankheit mit allen ihm zur Verfügung
stehenden Mitteln an. Aber sein eiserner Wille allein genügte
nicht. Die Krankheit war stärker und besiegte ihn. Vier Wochen
nach der Untersuchung im Krankenhaus starb Philipe Grande.
    Aber dieser Tag, an dem er mit Claude durch den Garten spazierte,
lag vor seinem Tod, war keine Einbildung und kein Wunschbild.
    Dies ist wirkliche Vergangenheit, pulsierte es in Henris
Bewußtsein. Ich werde jetzt – im nachhinein – Zeuge
von Dingen, die sich tatsächlich ereignet haben. Ich habe meine
eigene Zeit verlassen, ich erlebe einen Tag in der Vergangenheit,
einen Tag, der sich vor neun Monaten so und nicht anders abgespielt
hat!
    Wenn es so war, wie er vermutete, dann mußte auch seine
gesamte Umgebung jetzt in dieser Vergangenheit liegen.
    Die Büsche und Bäume im Park zeigten sich im
Herbstkleid. Die Rosen vor dem Haus waren schon geschnitten, aber
vorhin, als er noch lebte, standen sie voll in der Blüte. An
diesem Tag vor neun Monaten war Lorette nicht zu Hause gewesen! Sie
hielt sich bei einer Freundin auf… Wenn dieser Augenblick
wirkliche Vergangenheit war und nicht Bilder der Erinnerung, dann
durfte jetzt keine Leiche im Haus liegen und keine in Tränen
aufgelöste Lorette…
    Der Gedanke und die Tat erwiesen sich wieder als eine untrennbare
Einheit.
    Die Eindrücke außerhalb des Hauses erloschen wie eine
Kerzenflamme. Das Interieur wurde wieder sichtbar.
    Leer die Couch und das Wohnzimmer. Keine Spur von Lorette
Grande.
    Der Blick des nur noch geistig anwesenden Henri Grande fiel auf
den Kalender.
    Er zeigte den 24. Oktober des letzten
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