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Macabros 103: Nebel-Labyrinth des Tschonn

Macabros 103: Nebel-Labyrinth des Tschonn

Titel: Macabros 103: Nebel-Labyrinth des Tschonn
Autoren: Dan Shocker
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es sein, daß
Vögel an Tollwut erkrankten?
    Er verhielt sich absonderlich. Das Gefieder der Krähe war
aufgeplustert, der Vogel wirkte dadurch um so größer.
    Monsieur Henris Augen befanden sich in stetiger Bewegung.
    Eine Krähe mitten in Paris!
    Das war schon ein Naturwunder.
    Auf den Feldern außerhalb der Stadt konnte man sie noch
sehen, aber nicht hier im Zentrum der Stadt. Von dort hatten sie sich
ganz zurückgezogen.
    Es mußte sich um einen zahmen Vogel handeln, einen, den
irgendwo ein tierlieber Zeitgenosse in seiner Wohnung im Käfig
gehalten hatte. Der Vogel war daraus entkommen. Nur diese eine
Erklärung war logisch.
    Der Vogel, aufgeregt in fremder Umgebung, ein Mensch, den er nicht
kannte… Vielleicht war dies der Grund für seine
Angriffslust und nicht irgendeine Erkrankung, wie er vermutete.
    Der Mann ließ den Vogel nicht aus den Augen.
    Er streckte die Hand nach ihm aus, hielt die offene
Handfläche hin.
    »Komm«, lockte er mit ruhiger Stimme. »Du brauchst
keine Angst zu haben vor mir… ich tu’ dir nichts. Ich
möchte nur wissen, wie du hier hereinkommst…«,
fügte er im Selbstgespräch hinzu.
    Die Fenster waren alle geschlossen.
    Als das Paar vorhin gekommen war, mußte die Krähe
unbemerkt mit hereingehuscht sein. Ob der Vogel dem
glatzköpfigen Mann und seiner Begleiterin gehörte? Aber
wenn das Tier zahm war und sie begleitet hatte, dann würden die
beiden wohl schnellstens zurückkommen, wenn sie den Verlust
bemerkten.
    Drei Minuten vergingen… fünf Minuten…
    Draußen brandete der Verkehr durch die Straßen,
Passanten gingen am Geschäft vorüber, einige nur warfen
einen flüchtigen Blick auf die im Schaufenster ausgelegten
Sachen. Niemand kam herein. Vor allem auch die beiden letzten
Besucher nicht, denen er die Krähe zusprach.
    Der Vogel hüpfte auf ein anderes Regal, kam ihm ein wenig
näher und musterte ihn weiterhin.
    Dieser Blick ging ihm durch und durch, und im stillen schalt sich
Monsieur Henri einen Narren, daß er das Angstgefühl nicht
unter Kontrolle brachte. Die Angst wurde ausgelöst durch den
Blick der kalten Augen… Der Vogel schien ihm bis auf den Grund
seiner Seele zu sehen, und Monsieur Henri fröstelte.
    Und als das Ereignis eintrat, wußte er, daß sein
Gefühl ihn nicht getragen hatte.
    »Nicht ich muß dich fürchten, sondern du mich.
Wenn du tust, was ich von dir verlange, wird dir kein Haar
gekrümmt…«
    Der Antiquitätenhändler erstarrte. Kalter Schweiß
brach ihm aus.
    Der Vogel sprach mit ihm!
     
    *
     
    Der Franzose schluckte.
    Er hatte das Gefühl, der Boden unter seinen Füßen
würde sich öffnen.
    Monsieur Henri mußte sich an der Kante seines
Verkaufstisches festhalten.
    Er zweifelte an seinem Verstand und hörte schon Dinge, die
nicht sein konnten! Mit zittriger Hand fuhr er sich über die
Stirn.
    »Du… kannst… reden?« fragte er tonlos. Die
Worte kamen mechanisch über seine Lippen.
    »Warum sollte ich es nicht können?« reagierte die
Krähe eisig. Sie hüpfte ein weiteres Regal tiefer und
befand sich genau ihm gegenüber in Augenhöhe. »Was ich
dir zu sagen habe, wird dich interessieren! Hör’ mir gut
zu! Ich habe nicht viel Zeit. Zwei Fremde waren hier – ein Mann
und eine Frau. Er hatte eine Glatze und braune Haut. Der Mann war
Inder. Die Frau war noch sehr jung, schwarzhaarig und sehr
schön…«
    Er wußte sofort, von wem die Krähe sprach: Von den
beiden Besuchern, die vor wenigen Minuten sein Geschäft
verlassen hatten, Rani Mahay und Danielle de Barteaulieé.
    Mechanisch nickte Monsieur Henri. Es wurde ihm nicht
bewußt.
    »Die Kleider, die der Fremde zurückgelassen hat,
interessieren uns«, fuhr die Krähe fort.
    »U-n-s?« dehnte der Mann das eine Wort.
    »Ich bin nicht allein gekommen. Was wir vorhaben, erfordert
einigen Aufwand…« Mit diesen Worten wandte der große
Vogel den Kopf.
    Von der Tür zum Hinterzimmer war leises Rascheln zu
vernehmen. Der Antiquitätenhändler folgte
unwillkürlich dem Blick des Vogels.
    Der Spalt der nur angelehnten Tür war breit genug, daß
ein Vogel dieser Größe durchschlüpfen konnte.
    Und das taten nun auch welche.
    Aus dem Hinterzimmer kamen zwei weitere Krähen, groß
und schwarz, sie schienen einem geheimnisvollen Ruf zu folgen.
    Monsieur Henri wußte nicht, ob er träumte oder
endgültig den Verstand verloren hatte.
    Die beiden neuen Krähen kümmerten sich nicht um ihn.
    Sie flogen auf die Kleidung, die Rani Mahay im Tausch
zurückgelassen hatte. Die eine kroch in das linke
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