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Lycana

Lycana

Titel: Lycana
Autoren: Ulrike Schweikert
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er mit ihr machen? Darüber wollte sie lieber nicht nachdenken.
    Ein Aufblitzen am Ufer lenkte ihre Aufmerksamkeit ab. Ein weißes Boot landete an, dem eine junge, hochgewachsene Frau mit blondem Haar entstieg. Eine Menschenfrau, soviel war sicher. Die Druidin Tara ging ihr entgegen und begrüßte sie. Gehörte sie zu den Druiden? Vermutlich. Warum sonst sollte sie sich zu dieser Versammlung begeben? Außerdem blieben die Lycana völlig gelassen. Keiner schien sich auch nur in Gedanken an ihrem Blut laben zu wollen.
    Die Vampirin beobachtete, was als Nächstes geschah, während sie sich den Kopf zerbrach, wie sie alles noch zum Guten wenden konnte. Sie musste an diesen verfluchten Stein herankommen, aber wie?
    Auf der Lichtung kam wieder Bewegung in die Versammlung. Die Druidin Tara übergab den Stein der jungen Frau, die ihn offensichtlich auf ihrem Boot wegschaffen wollte. Die Erben und ihre Servienten begaben sich zu einem größeren Schiff, das von einem alten Mann gesteuert wurde. Als sie eingestiegen waren, wandelten sich die Lycana zu Fledermäusen und umkreisten das Schiff, auf dem die Besucher der anderen Familien den Lough überqueren würden. Auch die Werwölfe rüsteten sich zum Aufbruch. Wohin sie gehen würden, wusste die Vampirin nicht, und es interessierte sie auch nicht, jetzt da sie den Stein nicht mehr besaßen. Mit wachsender Panik sah sie den beiden Booten nach, wie sie über das ruhige Wasser davonglitten. Alles war verloren. Was hätte sie in diesem Augenblick darum gegeben, sich in einen Vogel verwandeln zu können! Und doch, was sollte sie gegen so viele Gegner ausrichten?
    Plötzlich stutzte die Vampirin. Sie trennten sich! Während das von den Lycana begleitete Schiff der Erben nach Südwesten steuerte, wandte sich das kleine Boot der Druidin nach Nordwesten. Langsam schwamm es dahin, während das Schiff der Vampire schon bald ihrer Sicht entschwand. Die Erregung schäumte wie eine Woge in ihr auf. Vielleicht ließ sich das Schicksal doch noch wenden? Blitzschnell glitt sie vom Baum und auf die Bucht ein  Stück nördlich des Versammlungsorts zu, in der das Boot, das sie von Cong hergebracht hatte, noch immer auf der Uferböschung lag. Sie stieß es ins Wasser und sprang hinein. Mit kräftigen Ruderschlägen trieb sie es auf den See hinaus. Das Segeltuch ließ sie unbeachtet. Sie musste schneller sein als das Boot der Druidin und es abfangen, ehe es sein Ziel erreichte. Wer konnte sagen, wohin sie den Stein brachten und ob es ihr dort noch gelänge, die Hand nach ihm auszustrecken? Ein grimmiges Lächeln breitete sich über ihr Gesicht aus, als das kleine weiße Boot in Sicht kam.
    »Man kann den Stein vielleicht nicht vernichten, aber ihn durchaus für immer dem Zugriff der Lycana und aller anderen entziehen!«
    Die Vampirin zog die Ruder durch das glatte Wasser. Es war unter ihrer Würde, solch eine niedere Arbeit zu verrichten, in diesem Augenblick aber zählte nur, dass genug Kraft in ihrem Körper wohnte, und das große Ziel vor ihr, dem sie sich rasch näherte.
    Erkannte die Frau die Gefahr nicht, die auf sie zukam, oder verfügte sie über Kräfte, von denen die Vampirin nicht wusste? Die junge Druidin versuchte nicht einmal zu fliehen. Als das fremde Boot auf sie zuschoss, stand sie hoch aufgerichtet da und streckte der Vampirin die Handflächen entgegen.
    »Wer bist du? Gehörst du zu den Lycana? Ich kenne dich nicht! Was ist dein Begehr?«
    Die Vampirin lächelte böse. »Wer ich bin, hat dich nicht zu kümmern. Alles, was ich will, ist der Stein. Gib ihn mir!«
    Die Druidin schüttelte den Kopf. »Der Stein wurde uns Druiden übergeben, auf dass wir ihn neunundneunzig Jahre schützen und bewahren. Du kannst dieses Boot gegen meinen Willen nicht betreten! Tara hat einen Bann errichtet und auch die Insel Inchagoill unterliegt dem Schutz der Druiden.«
    Die Vampirin zögerte. Sie war nun so nah, dass sie auf das andere Boot hätte springen können. Sie forschte nach den Gedanken der jungen Druidin. Zumindest schien sie selbst davon überzeugt, dass der Bann nicht durchbrochen werden konnte. Was  nun? Sollte sie es dennoch riskieren und womöglich ins Wasser geschleudert werden? Nachdenklich betrachtete sie das schmale Boot. Nun gut, vielleicht gelang es ihr wirklich nicht, den Fuß daraufzusetzen, aber musste sie das denn? Sie wollte den Stein ja gar nicht in die Finger bekommen. Sie wollte nur verhindern, dass die Reifträger sich jemals wieder am Herzen Irlands stärken konnten
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